Direktversicherung: Neue Zwölf-Monats-Frist zur Nutzung der Vervielfältigungsregelung

Wer aus einem Dienstverhältnis ausscheidet und noch eine Abfindung erhält, ist oft verwundert, wenn er erfährt, welchem Steuersatz die Abfindung unterliegt. Die so genannte Fünftel-Regelung des § 34 EStG bringt zumeist nur einen schwachen Trost. Interessanter kann es sein, die Vervielfältigungsreglung nach § 3 Nr. 63 EStG bzw. § 40b EStG zu nutzen, also die Einzahlung (Umwidmung) einer Abfindung in eine Direktversicherung (oder Pensionskasse). Dabei gelten unterschiedliche Steuerregeln für Alt- und Neuverträge.

Wurde die Direktversicherung vor dem 1.1.2005 abgeschlossen, kann bei Beendigung des Dienstverhältnisses für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit ein Betrag von 1.752 Euro in die Direktversicherung eingezahlt und pauschal besteuert werden. Der so vervielfältigte Betrag vermindert sich um die pauschal versteuerten Versicherungsbeiträge, die im laufenden Jahr und in den vorangegangenen sechs Jahren in die Direktversicherung bereits eingezahlt wurden (§ 52 Abs. 52a EStG). Die Vervielfältigungsregel muss im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen. Um die Vervielfältigungsregel nach altem Recht nutzen zu können, muss vor 2018 mindestens ein Beitrag mit 20 Prozent pauschal besteuert worden sein.

Bei neueren Verträgen mit Vertragsabschluss seit dem 1.1.2005 gilt: Aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses geleistete Beiträge sind steuerfrei, soweit sie 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung, vervielfältigt mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Dienstverhältnis bestanden hat, höchstens jedoch zehn Kalenderjahre, nicht übersteigen.

Aber wann ist ein Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben? Bislang gilt: Ein Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses ist insbesondere dann zu vermuten, wenn der Beitrag innerhalb von drei Monaten vor dem Beendigungs-/Auflösungszeitpunkt geleistet wird. Ohne zeitliche Beschränkung kann die Vervielfältigungsregel auch nach dem Ausscheiden genutzt werden, sofern die Umwandlung von Arbeitslohn vor bzw. exakt mit dem Ausscheiden vereinbart wird (BMF-Schreiben vom 12.8.2021, BStBl 2021 I S. 1050; R 40b.1 Abs. 11 LStR).

Interessanterweise sind die Lohnsteuerrichtlinien  (R 40b.1 Abs. 11 LStR) für die Altfälle, also bei Vertragsabschluss vor dem 1.1.2005, nun geändert worden: Die Vervielfältigung der Pauschalierungsgrenze kann nach § 40b Abs. 2 Satz 3 EStG erfolgen, wenn sie im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses steht; ein solcher Zusammenhang ist insbesondere dann zu vermuten, wenn der Direktversicherungsbeitrag innerhalb von zwölf Monaten vor dem Auflösungszeitpunkt geleistet wird. Nach Auflösung des Dienstverhältnisses kann sie ohne zeitliche Beschränkung angewendet werden, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses steht. Das bedeutet: Die Umwidmung einer Abfindung, eventuell auch einer nachträglichen gewährten Tantieme, zwecks Einmalzahlung in eine Direktversicherung kann auch noch nach der Vereinbarung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgen.

Denkanstoß:

Es ist nicht ersichtlich, warum bislang nur die LStR zu den Altfällen, nicht aber das BMF-Schreiben vom 12.8.2021 zu den Neufällen geändert worden ist. Wahrscheinlich wird die Änderung aber noch kommen, so zumindest meine Vermutung.

Übrigens, nur am Rande: Gerne nimmt man im aktiven Dienstverhältnis die Vorzüge von Direktversicherungen oder der betrieblichen Altersversorgung im Allgemeinen in Anspruch. Doch der Leistungs- bzw. Versorgungsfall tritt manchmal schneller ein als man denkt. Wer eine betriebliche Altersversorgung abschließt, sollte sich daher sehr genau informieren, wie die späteren Auszahlungen besteuert werden und welche sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen (Thema „Krankenversicherung“) sich ergeben. Kleiner Tipp: Schauen Sie einmal in § 22 Nr. 5 EStG und meinen Blog-Beitrag “ Aufreger des Monats Januar: Horrende Belastung von Kapitalabfindungen der bAV ist verfassungsgemäß„.

Man sehe mir übrigens nach, dass ich oben – mit Ausnahme der Einleitung – nur von Direktversicherungen und nicht auch von Pensionskassen gesprochen habe. Ich wollte das Thema nicht unnötig verkomplizieren.

 

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