Disclosure Initiative – Sind Finanzberichte für die Adressaten lesbar?

Verständliche Finanzberichterstattung wird mit höherem Aktienkurs belohnt

Damit Finanzberichte gelesen werden, müssen sie verständlich sein. Klar – was auch sonst? Allerdings stellt eine empirische Studie genau das Gegenteil fest: Börsennotierte Unternehmen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien veröffentlichten zwischen 2009 und 2015 Finanzberichte, die als „schwer“ bis „sehr schwer“ lesbar eingestuft wurde. Es besteht offenbar also großer Handlungsbedarf. Denn für Unternehmen ist eine verständliche und auf die Adressaten zugeschnittene Finanzberichterstattung wichtig. Sie kann beispielsweise zu einem Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenzunternehmen führen.

Auch das IASB hat sich das Ziel gesetzt, im Rahmen der sog. „Disclosure Initiative“ die Finanzberichterstattung nicht nur zu vereinfachen, sondern auch zu verbessern. Die Bilanzleser sollen nicht mehr mit überflüssigen Informationen überfrachtet werden. Teilweise findet eine Umkehr bereits statt: Siemens war Vorreiter mit der Kürzung des Geschäftsberichtes für 2015. Mittlerweile haben viele Unternehmen nachgezogen. Eine Kürzung auf entscheidungsrelevante Informationen im Geschäftsbericht sorgt nicht für bessere Informationen: Auch die Kosten für die Erstellung des Berichtes sinken im Unternehmen mittelfristig. Denn durch die Kürzung müssen beispielsweise weniger Seiten grafisch überarbeitet und übersetzt werden.

Bisher mangelt es teilweise nicht nur an wesentlichen Informationen, sondern auch an der Überfrachtung der Leser mit nicht-wesentlichen Informationen. Durch die Masse an Informationen treten möglicherweise sehr relevante Informationen für Stakeholder und Investoren in den Hintergrund oder können nur schwierig als solche interpretiert werden. Sofern börsennotierte Unternehmen ihren Adressaten lesbare, knapp dargestellte sowie verständliche Finanzinformationen bereitstellen, spiegelt sich dies im Aktienkurs wider. Entscheidend ist demnach die Darstellung und Formulierung der Informationen. Bisher wurde dies offenbar vernachlässigt.

Einige empirische Ergebnisse weisen einen positiven Zusammenhang zwischen lesbaren Finanzinformationen und dem Aktienkurs nach. Auch wird seitens der Manager versucht, eine schlechte Ertragslage durch eine hohe Komplexität der dargestellten Informationen zu verschleiern. Unternehmen, die ihre Geschäftsberichte kurz und prägnant erstellen, werden von Investoren belohnt. Es lohnt sich also, bei der Erstellung der Berichte auf das Kriterium Lesbarkeit zu achten. Was genau unter Lesbarkeit zu verstehen ist und welche weiteren Probleme dadurch auftauchen können, soll hier nicht weiter diskutiert werden.

In der Studie wird keine Verbesserung der Verständlichkeit zwischen 2009 und 2015 nachgewiesen. Möglicherweise war den Unternehmen die Bedeutung dessen noch nicht bekannt. Es bleibt zu hoffen, dass dies durch die empirischen Befunde dessen künftig verbessert werden wird.

Die Herausforderungen der Unternehmen ist es, allen Adressaten gerecht zu werden. Dies ist sicherlich eine sehr schwierige Gradwanderung, für die es kein Patenzrezept gibt. Wahrscheinlich können sie nie allen – seien es nun Standardsetter, private oder institutionelle Investoren – zu 100 % gerecht werden. Eine Zusammenarbeit der einzelnen Parteien könnte diese Gradwanderung vielleicht möglich machen.

Lesen Sie hierzu auch:

Rupertus/Kaiser/Bravidor (2017): Auf hohem Niveau schwierig!? – die Lesbarkeit der Finanzberichterstattung im internationalen Vergleich, KoR, Seite 79-85

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