Doppelbesteuerung der Rente: Verfassungsrechtlich fraglich und ungerecht

Wer ein Leben lang einer Beschäftigung nachgegangen ist, der sollte im Alter von den Renteneinkünften leben können. So zumindest die Idealvorstellung. Diese Idealvorstellung geht allerdings nicht immer auf. Altersarmut wird immer mehr zu einem Thema und lässt sich nicht alleine mit steigenden Mieten und erhöhten Kaufpreisen begründen. In den kommenden Jahren könnte der Staat immer mehr zu dieser Entwicklung beitragen. Dies liegt an der Doppelbesteuerung der Renteneinkünfte.

Zum 1. Januar 2005 hat der Gesetzgeber durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) die Besteuerung der Renten neu geregelt. Dieser Neuregelung ging ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht voraus (BVerfG-Urteil vom 6. März 2002 – 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, S. 618), indem das Gericht dem Gesetzgeber die Neureglung der Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen in das Pflichtenheft schrieb. Das Bundesverfassungsgericht hielt in seinem Urteil die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 EStG und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG für verfassungswidrig.

Für eine Doppelbesteuerung vermeidende Ausgestaltung des Rentensystems wäre es notwendig, eine vollständige Abzugsfähigkeit der steuerpflichtigen Altersvorsorgeaufwendungen zu gewähren und eine nachgelagerte Besteuerung (in der Bezugsphase der Rente) einzurichten. Diesen Weg ist der Gesetzgeber allerdings nicht gegangen. Durch das Alterseinkünftegesetz wird der abzugsfähige Anteil der Rentenbeiträge – beginnend mit 60 % im Jahr 2005 – schrittweise auf 100 % im Jahr 2025 angehoben. Zeitgleich wird der steuerpflichtige Anteil des Renteneinkommens auf 100 % im Jahr 2040 erhöht. Rentner, die ab dem Jahr 2040 in den Ruhestand gehen und bereits vor 2005 erwerbstätig waren, müssen die Rente voll versteuern, obwohl die Beiträge zur Rentenversicherung zwanzig Jahre lang (2005 bis 2025) nicht voll abzugsfähig waren.

Bedingt durch dieses System resultiert eine Doppelbesteuerung der Rente, da sich diese zumindest anteilig aus einer bereits versteuernden Größe speist und in der Auszahlungsphase nochmals versteuert wird.

Die Doppelbesteuerung betrifft alle Rentner, die ab 2005 in Rente gingen, nimmt zwischen 2020 und 2040 ein hohes Niveau von über 20 % an und besteht noch bis 2070.“ (Schindler/Braun, NWB 2020, S. 1684). Außer fiskalischen Argumenten dürften keine weiteren Argumente für dieses Verfahren sprechen. Aus ökonomischer Sicht ist jede Form der Doppelbesteuerung schädlich, jedoch ganz besonders bei der Besteuerung von Renteneinkünften. Wer viele Jahrzehnte in die Versorgungsysteme einbezahlt, der sollte zumindest erwarten, dass dieses Ein- und Auszahlungssystem in der Versorgungsysteme keinen doppelten Steuerzugriff begründet.

Aus diesem Grund mehren sich die kritischen Stimmen zunehmen. Im NWB Verlag ist mittlerweile eine Musterberechnung zum Nachweis Doppelbesteuerung von Eckrentnern mit 45/40/35 Beitragsjahren vorhanden (vgl. Schindler/Braun, NWB 2020, S. 784), welche z.T. hohe zweistellige Doppelbesteuerungsanteile nachweist.

Daher verwundert es wenig, dass mittlerweile mehrere Finanzgerichtsverfahren zur Frage der Doppelbesteuerung anhängig sind (z.B. BFH Az. X R 33/19; FG Saarland Az. 3 K 1072/20). Insbesondere das Verfahren vor dem FG Saarland könnte für viele Rentner spannend werden.

Daher ist es zu empfehlen Veranlagungen mit Renteneinkünfte durch Einspruch und einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens offenzuhalten. Da das Verfahren noch nicht vor dem BFH anhängig ist, liegt es im Ermessen der Finanzbehörde diesem Antrag stattzugeben.

Lesen Sie hierzu auch:

Schindler/Braun: „Doppelbesteuerung der Renten – Was ist zu tun?“, NWB 2020 S. 1684 (für Abonnenten kostenfrei)

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