BVerfG: Verzinsung von Steuernachzahlungen und -erstattung ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig

Bekanntermaßen zielt die Zinsfestsetzung gem. § 238 Abs. 1 AO darauf ab, die Vor- und Nachteile, die aus einer von der tatsächlich festzusetzenden Steuer verschiedenen bisher entrichteten Steuer, auszugleichen. Die Regelung soll dabei sowohl für den Steuerpflichtigen (Verzinsung von Steuererstattungen) wie für den Fiskus (Verzinsung von Steuernachzahlungen) wirken. In den letzten Jahren wurde die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe – für jeden Monat 0,5 Prozent, somit 6 Prozent pro Jahr – zunehmend kritisch diskutiert.

In einem Urteil aus dem Jahr 2017 ging der BFH noch von der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes aus. Im urteilsrelevanten Sachverhalt ging es um einen Fall und die für in das Jahr 2013 fallende Zinsen (vgl. BFH V. 09.11.2017 – III R 10/16).
Später meldete der BFH Weiterlesen

Auf und nieder, immer wieder, auf und nieder – immer wieder auf!

Wer kennt ihn nicht, den Refrain aus dem bekannten Bierzelt-Schunkellied. Zu diesem Refrain passen auch einige steuerpolitische Vorschläge zu Verbrauchsteuern, die im Bundestag aktuell eingebracht wurden. So hat die FDP Bundestagsfraktion für eine Absenkung der Biersteuer ausgesprochen (vgl. BT-Drucks. 19/27815 v. 23. März 2021). Die FDP, die den Absenkungsvorschlag in einem Antrag im Bundestag eingebracht hat, begründet den Vorstoß mit der Corona-Pandemie und den um fünf Millionen Hektorliter zurückgegangen Bierabsatz.

In diesem Zusammenhang stellt die FDP den Antrag, den Bundesländern im Rahmen der EU-weiten Vorgaben die Möglichkeit einzuräumen, die Höhe der Biersteuer in eigener Verantwortung festzulegen. Zu weiteren Begründung wird dabei ausgeführt, dass insbesondere kleine- und mittelständische Brauereien von der Corona-Pandemie stark betroffen sind, da diese Brauereien sehr stark auf den Absatz von Fassbier angewiesen sind und dieses Geschäft durch die seit Monaten ausgesetzten Veranstaltungen fast vollkommen zum Erliegen gekommen ist (vgl. BT-Drucks. 19/27815 v. 23. März 2021, S. 2).

Eine Woche später veröffentlichte die Bundesregierung die Antworten auf eine kleine Anfrage der AfD Bundestagsfraktion, die sich unter dem Titel „Erhöhung der Steuer auf Tabak und E-Zigaretten“ mit der Steuererhöhung in diesem Bereich auseinandergesetzt hat. Weiterlesen

Die Besteuerung der Renten: Quo vadis?

Bereits vor einiger Zeit wurde in diesem Blog unter dem Titel „Doppelbesteuerung der Rente: Verfassungsrechtlich fraglich und ungerecht“ das Problem der Doppelbesteuerung der Renteneinkünfte angesprochen.

Im Kern gehen die jetzigen Probleme, die das Besteuerungssystem der Renteneinkünfte bietet, auf das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) zurück. Mit diesem Gesetz wurde zum 1. Januar 2005 das Besteuerungssystem der Renten reformiert. Der damalige Gesetzgeber war durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu einer Reform angehalten, da das Bundesverfassungsgericht die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 EStG und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG für verfassungswidrig erklärte (vgl. BVerfG-Urteil vom 6. März 2002 – 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, S. 618).

Durch das Alterseinkünftegesetz wird der abzugsfähige Anteil der Rentenbeiträge – beginnend mit 60 % im Jahr 2005 – schrittweise auf 100 % im Jahr 2025 angehoben. Zeitgleich wird der steuerpflichtige Anteil des Renteneinkommens auf 100 % im Jahr 2040 erhöht. Durch dieses System kann eine Doppelbesteuerung resultieren, die besonders stark bei Personen wirkt, die bereits vor 2005 erwerbstätig waren und ab 2040 in den Ruhestand gehen.

Für diese Personen waren zwischen 2005 und 2025 die Beiträge in die Rentenversicherung nicht voll abzugsfähig, ab 2040 muss die Rente unterdessen komplett versteuert werden. Aber auch für Steuerpflichtige, die bereits heute Renteneinkünfte erzielen, kann sich rechnerisch eine Doppelbesteuerung nachweisen lassen. Aus diesem Grund sind mehrere Finanzgerichtsverfahren zur Frage der Doppelbesteuerung anhängig (z.B. BFH Az. X R 33/19; FG Saarland Az. 3 K 1072/20) und das Thema wird in zunehmenden Maße auch in die politische Diskussion eingebracht. Ende 2020 nahmen Mitglieder der FDP Bundestagsfraktion die Doppelbesteuerung der Rente zum Anlass eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Aus den Antworten der Bundesregierung wird zunächst deutlich, dass am 1. Juli 2020 rund 20 Mio. Empfänger einer gesetzlichen Rente in Deutschland vorhanden waren und zwischen 2015 und 2019 zirka 4 Mio. neue Empfänger einer gesetzlichen Rentenversicherung hinzugekommen sind (vgl. BT-Drucks. 19/25772 v. 12.01.2021, S. 2). Insbesondere die letzte Gruppe dürfte tendenziell stärker von einer möglichen Doppelbesteuerung betroffen sein.

Auf die Frage „Wie viele Personen werden nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen?“ antwortete die Bundesregierung wie folgt „Der Bundesregierung liegen keine Angaben zur Anzahl der Personen vor, die in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen.“ (vgl. BT-Drucks. 19/25772 v. 12.01.2021, S. 3). Eine Abschätzung, wie hoch die Anzahl der Steuerpflichtigen sein wird, die in den kommenden Jahren von einer möglichen Doppelbesteuerung betroffen sind, lässt sich damit nicht treffen.

Die Bundesregierung hält allerdings daran fest, dass im Rahmen der skizzierten Übergangsregelung zu keiner verfassungswidrigen Doppelbesteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen kommt (vgl. BT-Drucks. 19/25772 v. 12.01.2021, S. 3). Ob sich die Ansicht halten lässt, wird sich im anhängigen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof zeigen, welches noch in diesem Jahr entschieden werden soll. Auch wenn die Doppelbesteuerung im Einzelfall gering ausfallen kann und damit noch als verfassungswidrig qualifiziert, kann unter Gerechtigkeitsaspekte auch dieses System kritisch gesehen werden. Zum einen, da aufgrund des gesunkenen Einkommens in der Rentenphase, eine Doppelbesteuerung schädlicher wirkt, als in einer Phase mit hohen Einkommen. Zum anderen aber auch, weil auch eine geringe Doppelbeteuerung als ungerecht empfunden wird.

Weitere Informationen:

Lesen Sie hierzu auch den Beitrag von Schindler/Braun „Die Doppelbesteuerung von Renten ist Fakt!, NWB 11/2020 S. 784 ff. (für Abonnenten kostenfrei).


 

Gewerbesteuer: Grillimbiss und Eiscafé als einheitlicher Steuergegenstand?

Sofern ein Gewerbetreibender mehrere gewerbliche Tätigkeiten ausübt, kann es sich bei dieser Tätigkeit entweder um einen einheitlichen Betrieb oder um mehrere selbstständige Betriebe handeln. Aus der Zusammenfassung zu einem Betrieb können sich dabei Vorteile (z.B. direkte Verlustverrechnung der Tätigkeiten) und Nachteile (z.B. Ansatz nur eines Freibetrags bei natürlichen Personen und Personengesellschaften) ergeben.

In diesem Zusammenhang hatte der BFH kürzlich einen Fall zu beurteilen, bei dem es fraglich war, ob ein Grillimbiss und ein Eiscafé als einheitlicher Betrieb zu qualifizieren sind (Urteil v. 17.06.2020 – X R 15/18). Sowohl der Grillimbiss wie auch das Eiscafé wurden im selben Gebäude betrieben, es wurde dieselbe Kundentoilette angeboten, die Außenbewirtschaftung erfolgte auf den gleichen Stühlen, einige Mitarbeiter der Betriebe kamen für beide Betätigungen zum Einsatz. Weiterlesen

Corona: Weitere Vorstöße zur Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers

Aufgrund der Corona-Pandemie üben viele Steuerpflichtige ihre berufliche Tätigkeit derzeit (erneut) im Homeoffice aus. Bereits während des ersten Corona-Lockdowns im März waren viele Steuerpflichtige – häufig zum ersten Mal in Ihrem beruflichen Leben – im Homeoffice tätig.

Die Abzugsbeschränkungen für das „häusliche Arbeitszimmer“ sind dabei allerdings eng gefasst, weswegen bereits im Frühjahr eine Pauschalregelung für das „Corona-Homeoffice“ in diesem Blog diskutiert wurde (vgl. Hiller, NWB-Experten-Blog: Pauschalregelung für das „Corona-Homeoffice“ notwendig). Eine solche Pauschalregelung wäre sachlich gerechtfertigt und würde außerdem eine erhebliche Arbeitsentlastung für die Finanzverwaltung bedeuten. Weiterlesen

Der Weg zur Plastiksteuer ab 2021

Bereits im Jahr 2018 wurde über die Einführung einer Plastiksteuer beraten. In diesem Zusammenhang schlug die EU-Kommission die Einführung einer Plastiksteuer als Teil des mehrjährigen Finanzrahmens 2021 bis 2027 vor. Allerdings fand der Vorstoß dabei keine Mehrheit und wurde nicht weiterverfolgt, vielmehr blieb er im Maßnahmenköcher der EU-Kommission. Aus diesem Maßnahmenköcher wurde die Plastiksteuer, beflügelt durch die Corona-Krise, gezogen.

Im Rahmen des 750 Mrd. Euro schweren Aufbauplan „Next Generation EU“ wurde die Einführung einer Plastiksteuer nun beginnend ab 2021 beschlossen. In der EU sollen mit dieser „Steuer“ Einnahmen i.H.v. zirka 6 Mrd. Euro generiert werden. Der prozentuale Löwenanteil entfällt dabei auf die Bundesrepublik Deutschland, die zirka 1,4 Mrd. Euro zum Aufkommen beiträgt. Der Begriff „Plastiksteuer“ ist dabei allerdings irreführend, denn die „Plastiksteuer“ qualifiziert nicht als Steuer i.S.v. § 3 AO. Weiterlesen

Chapeau zum BMF-Schreiben zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung!

Mit Datum vom 18. September 2020 hat das Bundesministerium der Finanzen ein Schreiben zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung und Vorsteuerabzug ohne Besitz einer ordnungsmäßigen Rechnung veröffentlicht (vgl. BMF-Schreiben v. 18. September 2020 – III C 2 – S 7286-a/19/10001 :001). Das Thema war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Aus diesem Grund verwundert es wenig, dass das BMF-Schreiben die maßgeblichen EuGH- und BFH-Urteile der letzten Jahre, die in diesem Regelungskontext ergangen sind, in den Fokus nimmt. Dabei sticht das Schreiben allerdings durch seine besondere Qualität bei der Abarbeitung der Urteile hervor. Weiterlesen

Erbschaft- und Schenkungsteuer an die aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen anpassen

Unter diesem Tenor hat der Freistaat Bayern einen Entschließungsantrag im Bundesrat eingebracht, der am 18. September zur Beratung im Bundesrat aufgerufen werden soll. Im Wesentlichen zielt der Vorstoß der Bayerischen Staatsregierung darauf ab, die persönlichen Freibeträge anzuheben. Zur Begründung wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die persönlichen Freibeträge für Vermögensübertragungen im engsten Familienkreis zuletzt vor zehn Jahren angepasst wurden und aufgrund der Wertentwicklungen der letzten Jahre erhöht werden sollten. „Sowohl die Inflation als auch die steigenden Immobilienpreise führen dazu, dass die Freibeträge inzwischen einen wesentlichen Teil ihrer Entlastungswirkung verloren haben“ (BR-Drucks. 408/20 v. 28. Juli 2020, S. 1).

In diesem Zusammenhang wird auch auf die unterschiedlichen Wertentwicklungen in den Bundesländern abgestellt und als Reformansatz eine unterschiedliche Freibetragshöhe ins Spiel gebracht. Durch eine Ergänzung von Art. 105 Abs. 2a der Finanzverfassung im Grundgesetz soll es den Ländern ermöglicht werden, die Gesetzgebungskompetenz für die Festlegung der persönlichen Freibeträge zu erhalten.

Zudem regt die Bayerische Staatsregierung eine Erhöhung der Weiterlesen

Einkommensteuersätze in Deutschland: keine kurzfristigen Änderungen zu erwarten

In regelmäßigen Abständen entbrennt die Diskussion über die Höhe der Einkommensteuersätze. Die möglichen Antworten, die die politischen Entscheidungsträger diskutieren sind dabei weit gefasst. Von einer Erhöhung des Spitzen- und Höchststeuersatz, über eine Reduzierung der Steuersätze bis hin zu einer namhaften Erhöhung des Grundfreibetrages wurden in den letzten Jahren ganz unterschiedliche Reformalternativen in das Gespräch und in die politische Diskussion gebracht.

Im Zusammenhang mit der Corona Pandemie hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, die Umsatzsteuertarife temporär zu senken. Dennoch gab es anhaltende Spekulationen, ob auch steuerpolitische Maßnahmen angedacht sind, die auf eine Reform der Einkommensteuertarife abzielen. Insbesondere wurde über eine Erhöhung des Spitzen- und Höchststeuersatzes spekuliert. Nunmehr hat die Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP Bundestagsfraktion klargestellt, dass in dieser Legislaturperiode keine Erhöhung des Spitzen- und Höchststeuersatzes vorgesehen ist (vgl. BT-Drucks. 19/21210, S. 2).

Auch eine grundsätzliche Reform der Einkommensteuer ist im kommenden Jahr nicht zu erwarten, was sich ebenfalls aus der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage des FDP ergibt. Weiterlesen

Reform der Gewerbesteuerzerlegung bei Gewerbebetrieben mit Betriebsstätten in mehreren Gemeinden?

Gewerbliche Einkünfte unterliegen der Gewerbesteuer, soweit der Gewerbebetrieb im Inland betrieben wird. Auf die Rechtsform des Gewerbebetriebs kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Mit einem Aufkommen von zirka 55 Milliarden Euro im Jahr 2019 werden durch die Gewerbesteuer zwar „lediglich“ knapp 7% der Steuereinnahmen des Bundesrepublik Deutschland erzielt (Quelle: https://www.destatis.de), da das Aufkommen der Gewerbesteuer den Gemeinden zufließt, stellt die Gewerbesteuer eine wesentliche Einnahmequelle der Städte und Gemeinden dar.

Eine Besonderheit ergibt sich bei Gewerbetrieben, die in mehren Gemeinden Betriebsstätten unterhalten. In diesem Fall ist der Steuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile zu zerlegen (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Ausnahmen und Rückausnahmen bzgl. der Zerlegung sind in § 28 Abs. 2 GewStG normiert. Durch die Multiplikation von Gewerbesteuermessbetrag mit dem jeweiligen Hebesatz der Gemeinde ergibt sich die festzusetzende Gewerbesteuer. Für die Zerlegung ist de lege lata das Verhältnis der Arbeitslöhne in allen Betriebstätten des Gewerbebetriebs und die Arbeitslöhne der Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden maßgeblich (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG). Hierzu sind wiederum Ausnahmen für Gewerbebetriebe, die ausschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom und anderen Energieträgern sowie Wärme aus Windenergie und solarer Strahlungsenergie betreiben, in § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG aufgenommen.

Ob die Zerlegung weiterhin auf Basis der Arbeitslöhne vorzunehmen ist, bleibt abzuwarten. Jüngst hat das Land Sachsen-Anhalt einen „Entschließung des Bundesrates für eine Neubewertung der Gewerbesteuerzerlegung bei Gewerbebetrieben mit Betriebsstätten in mehreren Gemeinden“ eingebracht (vgl. BR-Drucks. 382/20). Weiterlesen