Ehrenamtliche Tätigkeit oder FG-Termin – was ist höher zu gewichten?

Verständlicherweise sind Anträge auf Verschiebung von gerichtlichen Terminen bei den Richtern nicht gerne gesehen und die Beteiligten sollten ihre übrigen Belange möglichst so einrichten, dass die Termine stattfinden können. Doch alles hat seine Grenzen. Und aktuell hat der BFH einem Vorsitzenden Richter des FG Münster in scharfer Art und Weise zu erkennen gegeben, dass dessen eigene Terminplanung nicht höher zu werten ist als das ehrenamtliche Engagement für Menschen mit Behinderungen (Beschluss vom 10.3.2020, VII B 206/18).

Es ging um folgenden Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (Kläger) hatte am 2.11.2016 Klage erhoben. Mit Verfügung vom 10.10.2018, also erst fast zwei Jahre später, beraumte der Vorsitzende den Termin zur mündlichen Verhandlung für den 9.11.2018 um 09:45 Uhr an. Mit Fax vom 29.10.2018 bat der Kläger um eine Verlegung des Termins und führte zur Begründung aus, aufgrund seiner ehrenamtlichen Tätigkeit in einer Stiftung für Menschen mit Behinderungen ergebe sich eine Terminschwierigkeit, da ebenfalls am 9.11.2018 ab 09:00 Uhr eine Sitzung des Kuratoriums stattfinde, zu der er geladen worden sei. Dieser Sitzungstermin stehe schon länger fest, doch sei die konkrete Einladung hierzu erst jetzt bei ihm eingetroffen.

Der Vorsitzende lehnte mit Verfügung vom 29.10.2018 eine Terminsänderung ab und begründete dies damit, dass ein erheblicher Grund i.S. von § 227 Abs. 1 ZPO weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden sei. Es sei nicht einmal ansatzweise ersichtlich, warum der Teilnahme an der Sitzung des Stiftungskuratoriums, so anerkennenswert die von dem Kläger als Kuratoriumsmitglied ausgeübte ehrenamtliche Tätigkeit auch sein möge, Vorrang gegenüber der Teilnahme an dem anberaumten Gerichtstermin einzuräumen sein sollte, zumal dem Kläger die Ladung zur mündlichen Verhandlung noch vor der Einladung zu der Kuratoriumssitzung zugegangen sei.

Der Kläger übersandte dem Gericht daraufhin mit Fax vom 30.10.2018 die Kopie einer Vorlage für die Kuratoriumssitzung vom 27.10.2017 mit Terminvorschlägen für die Sitzungstermine 2018, u.a. auch für eine Kuratoriumssitzung am Freitag, den 9.11.2018, 09:00 Uhr, des Weiteren eine Kopie des Protokolls der Kuratoriumssitzung vom 27.10.2017, aus dem hervorgeht, dass das Kuratorium den Terminvorschlägen zugestimmt hatte, und schließlich eine Kopie der Einladung zur Kuratoriumssitzung für den 9.11.2018, 09:00 Uhr, in Bad Oeynhausen vom 26.10.2018. Der Kläger trug ergänzend vor, dass die Teilnahme an den Sitzungen der Aufsichtsgremien der Stiftung zu den Kernbereichen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit gehöre und dass die Schlussfolgerung des Vorsitzenden, die Ladung zur mündlichen Verhandlung sei vor der Festlegung des Termins für die Kuratoriumssitzung erfolgt, unzutreffend sei; lediglich die mit der konkreten Tagesordnung versehene Einladung vom 26.10.2018 sei nach der Ladung des Finanzgerichts zugegangen.

Mit Verfügung vom 6.11.2018 teilte der Vorsitzende dem Kläger mit, dass der anberaumte Termin bestehen bleibe, da nicht ersichtlich sei, dass dem Termin, den der Kläger im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit wahrnehmen wolle, gegenüber dem anberaumten Gerichtstermin Vorrang gebühre. Es sei bereits erheblich zweifelhaft, ob eine freiwillig und ohne rechtliche Verpflichtung übernommene, ehrenamtlich ausgeübte Tätigkeit überhaupt aus irgendeinem Grund vorrangig gegenüber einem Gerichtstermin sein und dementsprechend als erheblicher Grund i.S. von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO angesehen werden könne.

Dazu der BFH: „Das FG verkennt die gesellschaftliche Bedeutung des Ehrenamtes im Allgemeinen und der ehrenamtlichen Tätigkeit im Rahmen einer Einrichtung, die sich um die Belange von Menschen mit Behinderungen kümmert, im Besonderen, wenn es in seiner Verfügung vom 6.11.2018 ausführt, es sei bereits zweifelhaft, ob eine freiwillig übernommene ehrenamtliche Tätigkeit überhaupt aus irgendeinem Grund vorrangig gegenüber einem Gerichtstermin sein könne.“ Der Beschwerde des Klägers wurde mithin stattgegeben.

Mein Fazit:

Ein kurzes Telefonat zwischen den Beteiligten hätte die Sache klären können und der Streit wäre wohl nicht eskaliert. Wenn ich Sachverhalte wie den obigen, vor allem auch mit der Wortwahl von ablehnenden Beschlüssen („nicht einmal ansatzweise ersichtlich“; „überhaupt aus irgendeinem Grund vorrangig“), lese, frage ich mich stets, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Auch wenn man in der Sache vielleicht anderer Auffassung ist, sollte es persönlich doch einen respektvollen Umgang geben.

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