Entschädigung für coronabedingte Einnahmeausfälle? Ein (bislang) aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen

In einem weiteren Urteil hat der BGH abgelehnt, dass der Staat für Einnahmeausfälle (hier: eines Berufsmusikers) haftet, die durch befristet und abgestuft angeordnete Veranstaltungsverbote und -beschränkungen zur Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus in dem Zeitraum von März bis Juli 2020 („erster Lockdown“) verursacht wurden (BGH, Urteil v. 3.8.2023 – III ZR 54/22/s. NWB Online-Nachricht).

Worum ging es im Streitfall?

Der Kläger begehrte vom beklagten Land Baden-Württemberg Entschädigung für Einnahmeausfälle, die ihm in dem Zeitraum von März bis Juli 2020 entstanden waren, weil er und seine Musikgruppe auf Grund von staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 und der dadurch verursachten COVID-19-Krankheit nicht auf Veranstaltungen auftreten konnte.

Das beklagte Land erließ ab dem 17.3.2020 auf der Grundlage von § 32 i. V. mit § 28 Abs. 1 IfSG sukzessive mehrere Verordnungen zur Bekämpfung des Coronavirus. Das zunächst angeordnete generelle Verbot von Versammlungen und Veranstaltungen wurde in der Folgezeit gelockert. Ab 1.6.2020 waren unter Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen und Hygienemaßnahmen wieder Kulturveranstaltungen jeglicher Art unter 100 Teilnehmern gestattet, ab 1.7.2020 waren bei Veranstaltungen mit festen Sitzplätzen sowie einem vorab festgelegten Programm bis zu 250 Teilnehmer zulässig.  LG und OLG haben die auf Zahlung gerichtete Klage abgewiesen.

Wie hat der BGH entschieden?

Auch vor dem BGH hatte der Kläger keinen Erfolg: Seinen zuletzt aus enteignungsgleichem Eingriff geltend gemachten Entschädigungsanspruch hat der BGH (v. 3.8.2023 – III ZR 554/22) in letzter Instanz verneint:

Ein Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs setzt voraus, dass rechtswidrig in eine durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Rechtsposition von hoher Hand unmittelbar eingegriffen wird und dem Berechtigten dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt wird. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die in den Corona-Verordnungen des beklagten Landes angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen waren nicht rechtswidrig. Sie sind insbesondere mit Art. 12 Abs. 1 GG (Berufs- und Gewerbefreiheit) und dem Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) vereinbar.

Durch die Veranstaltungsverbote und -beschränkungen wurde zwar in den Gewerbebetrieb des Klägers als Eigentum eingegriffen, da es ihm vorübergehend verwehrt bzw. nur in eingeschränktem Maße möglich war, die vorhandenen Betriebsmittel bestimmungsgemäß zu nutzen und – nach seinem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag – bereits vertraglich vereinbarte Auftrittsmöglichkeiten wahrzunehmen. Die angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen waren jedoch verhältnismäßig. Sie dienten einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck: Sie zielten darauf ab, durch die Reduzierung von Kontakten die weitere Verbreitung des Virus zu verlangsamen und das exponentielle Wachstum der Infektionen zu durchbrechen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden und die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Die befristet und abgestuft angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen waren auch erforderlich, weil gleich geeignete, mildere Mittel nicht zur Verfügung standen. Die Beschränkungen waren auch zumutbar: Die angeordneten Maßnahmen waren von Anfang an zeitlich befristet. Der Verordnungsgeber hatte von vornherein eine „Ausstiegs-Strategie“ im Blick und verfolgte ein stufenweises Öffnungskonzept. Eine weitere Abmilderung des Eingriffs in Art.14 Abs. 1 S.1 GG bewirkten staatliche finanzielle Hilfsprogramme.

Wie ist die Entscheidung einzuordnen und zu bewerten?

Die BGH-Entscheidung kommt nicht überraschend, vielmehr setzt der Senat seine bisherige Rechtsprechung zu Corona-Entschädigungsansprüchen konsequent fort. Bereits im März 2022 hatte der BGH (17.3.2022 – III ZR 79/21, NWB JAAAI-59792) in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass Gewerbetreibenden, die im Rahmen der Bekämpfung der Corona-Pandemie als infektionsschutzrechtliche Nichtstörer durch eine rechtmäßig angeordnete staatliche Schutzmaßnahme nach dem IfSG wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, weder nach dem IfSG, noch nach dem Polizei- und Ordnungsrecht oder kraft Richterrechts aus enteignendem Eingriff Entschädigungsansprüche zustehen.

Diese Beurteilung hat der BGH später (BGH v. 11.5. 2023 – III ZR 41/22) und jetzt abermals (BGH 3.8.2023 – III ZR 554/22) bestätigt. Bei rechtmäßigen staatlichen Beschränkungen stellen die Entschädigungsregelungen im IfSG (§§ 56; 65) eine abschließende Regelung dar; Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff sind deshalb nur bei rechtswidrigen staatlichen Beschränkungen denkbar. Insoweit hat der BGH aber jedenfalls bislang in allen Fällen rechtmäßige staatliche Beschränkungen angenommen und hierbei auf die zeitliche Befristung von Beschränkungsmaßnahmen, verordnungsrechtliche schrittweise Öffnungskonzepte und schließlich auf die Kompensation durch Corona-Wirtschaftshilfeprogramme abgestellt.

Fazit:

Coronabezogene Entschädigungsansprüche gegen den Staat bleiben (jedenfalls bislang) ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen.


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