Entschärfung der Überschuldung durch ein SanInsKG

Inzwischen sind wir in einer Krisendauerschleife und die Meinungen sind geteilt, ob wir ein zielgerichtetes, wirksames und zeitgerechtes Krisenmanagement auf politischer Ebene haben. Gerade die sich absehbar verschärfenden Energieprobleme und der Dunst über Stützungsmaßnahmen lassen für einige Unternehmen das Überleben zweifelhaft erscheinen. Nun will die sog. „Ampel“ an dem Symptom Insolvenz herumdoktern.

Das Instrument der temporären Aussetzung von Insolvenzantragspflichten und inhaltlichen Veränderung der Antragsvoraussetzungen erfreut sich seit einiger Zeit großer Beliebtheit. Zu denken ist hier insbesondere an das COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG), das nun als Vehikel zum Umgang mit erhöhten Insolvenzrisiken durch die aktuell unbewältigte Krisensituation dienen soll. Technisch erfolgt die Anpassung durch eine Formulierungshilfe der Bundesregierung zum im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters.

Zunächst soll das COVInsAG in ein Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) umbenannt werden. Inhaltlich soll mit § 4 Abs. 2 SanInsKG-E der Eröffnungsgrund der Überschuldung für ein Insolvenzverfahren, zunächst begrenzt bis zum 31.12.2023, entschärft werden. Hierzu ist vorgesehen

  • den Planungszeitraum für die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO von 12 auf 4 Monate zu verkürzen und
  • die längstens zulässige Antragsfrist bei Überschuldung von 6 auf 8 Wochen auszuweiten. Diese Antragsfrist war jüngst erst von 3 auf 6 Wochen verlängert worden.

Zugleich soll auch der zeitliche Horizont eines Finanzplans zur Erreichung einer Eigenverwaltung nach § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO oder zur Antragstellung auf eine Stabilisierungsanordnung nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG von 6 auf 4 Monate verkürzt werden.

Begründet wird die Verkürzung des Prognosezeitraums für die Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO mit den unsicheren Annahmen einer solchen Prognose wegen Preisvolatilitäten auf den Rohstoff- und Energiemärkten. Hierdurch sollen haftungs- und strafrechtliche Risiken der Geschäftsleiter abgebaut werden, die diese zu einer Antragstellung bringen können. Dabei zielt man auf „Unternehmen, deren Bestandsfähigkeit unter normalen Umständen, das heißt bei Hinwegdenken der derzeitigen Preisvolatilitäten und Unsicherheiten außer Zweifel stünde“ (wörtliche Zitate sind der Gesetzesbegründung entnommen). Eines Kausalitätsnachweises für die Probleme bedarf es nicht. Warum dann ein Prognosehorizont von 4 Monaten „im gesamtwirtschaftlichen Interesse an der Vermeidung weiterer Verwerfungen auf den Märkten“ sinnvoll sein soll, wird nicht substanziiert begründet.

In den Genuss der Regelung sollen nach § 4 Abs. 2 Satz SanInsKG-E auch Unternehmen kommen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits überschuldet waren, bei denen aber der Antragszeitraum nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 InsO bei Inkrafttreten noch nicht verstrichen ist.

Zur Verlängerung der maximalen Antragsfrist auf 8 Wochen wird ein erhöhter Zeitbedarf aufgrund der aktuellen Situation als Begründung angeführt. Wie schon bisher kann die volle Antragsfrist dann nicht ausgeschöpft werden, wenn mit der erfolgreichen Beseitigung des Insolvenzgrundes durch Sanierungsbemühungen nicht mehr zu rechnen ist. Die 3-wöchige Antragsfrist für den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit wird nicht verändert.

Betrachtet man sich die Kombination der beiden Regelungsänderungen, Verkürzung des Prognosezeitraums und Verlängerung der Antragsfrist, bleibt vom Eröffnungsgrund der Überschuldung nicht viel übrig. Die Begründung mit dem „gesamtwirtschaftlichen Interesse“ klingt zunächst plausibel. Die Unternehmen sind unverschuldet in eine Notlage geraten, die ihnen ohne die politische Entwicklung aufgrund des Ukraine-Krieges nicht widerfahren wäre, und drohen über ein Insolvenzverfahren vom Markt zu verschwinden.

Allerdings hat auch diese Sache zwei Seiten. Zwar zielt das Insolvenzverfahren nicht auf die Zerschlagung zwecks Gläubigerbefriedigung, sondern die Fortführung nach Sanierung ist ein gleichrangiges Ziel. Jedoch vermeidet der Zwang zur Stellung eines Insolvenzantrags auch die Vergrößerung des Gläubigerschadens durch ein Weiterwirtschaften, im Extremfall die Fortexistenz sog. Zombie-Unternehmen. Mit einer Aufweichung des Eröffnungsgrundes der Überschuldung erspart man sich zwar zunächst ein Ansteigen der Insolvenzfälle. Jedoch erkauft man sich diesen Vorteil mit dem Risiko weiterer Schäden durch die Fortführung, die dann auch etwa betroffene Geschäftspartner in Gefahr bringen können.

Der gewählte Weg erscheint zwar weniger problematisch als eine vollständige Aussetzung der Überschuldung als Eröffnungsgrund. Man gewinnt zudem politisch etwas Zeit, bevor es eventuell zu einer großen Zahl von Insolvenzen kommt. Ein unzureichendes politisches Handling der Grundprobleme kann die Regelung jedoch auf Dauer nicht ausgleichen.


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