Die Erbschaft eines Familienheims ist unter bestimmten Voraussetzungen steuerbefreit (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG). Unter anderem muss die erworbene Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt sein. Selbstredend stellt sich die Frage, was mit “unverzüglich” gemeint ist. Der BFH hatte hierzu mit Urteil vom 28.5.2019 (II R 37/16) eine Sechs-Monats-Frist ins Spiel gebracht.
Und wie es dann immer so ist, werden solche Fristen von der Finanzverwaltung gerne mit einer Art Gesetzescharakter versehen, von dem nicht abgewichen werden darf. Dass der BFH schon damals Ausnahmen zugelassen hatte, wird geflissentlich übersehen. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Gerichte immer wieder aufs Neue mit der Frage der „Unverzüglichkeit“ befassen müssen.
Jüngst hat das Niedersächsische FG entschieden, dass es für die Steuerbefreiung des Familienheims unschädlich ist, wenn beispielsweise der Mutter nach dem Tod des Vaters zunächst ein Wohnrecht eingeräumt wird und der Erbe, zum Beispiel der Sohn, in die Wohnung erst einzieht, wenn die Mutter das Wohnrecht nicht mehr nutzt. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Mutter in ein Pflegeheim umziehen muss (Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.5.2025, 3 K 80/24).
Der Sachverhalt in diesem Fall der Steuerbefreiung
Der Sohn ist Alleinerbe seines in 2022 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte unter anderem eine Immobilie, die der Vater bis zu seinem Ableben mit seiner Ehefrau bewohnte. In seinem Testament verfügte der Erblasser, dass seiner Ehefrau im Wege des Vermächtnisses ein Wohnungsrecht an dem Eigenheim einzuräumen ist. Dieses nahm die Ehefrau in Anspruch, das heißt, sie wohnte zunächst weiter in der Wohnung, allerdings musste sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes bereits nach einigen Monaten in ein Pflegeheim umziehen.
Im Anschluss ließ der Sohn die Immobilie umfassend renovieren und ist in die Wohnung eingezogen. Das Finanzamt verwehrte dem Sohn die Steuerbefreiung für das Familienheim. Diese setze voraus, dass der Erwerber das Grundstück unverzüglich als Familienheim nutze. Das Wohnrecht der Mutter könne nicht dazu führen, dass die Steuerbefreiung als Familienheim gewährt werde. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich; dem Erben stand die Steuerbefreiung zu.
Die Begründung
Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Der Erwerber muss die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen. Der Zeitraum für die Prüfung der Frage, ob der Kläger das Objekt unverzüglich i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt hat, hat nicht begonnen, solange die Mutter des Klägers ihr Wohnrecht ausübte.
Der Kläger war nämlich zunächst aufgrund des seiner Mutter testamentarisch zugesprochenen lebenslänglichen Wohnrechts an der unverzüglichen Bestimmung der Wohnung zur Selbstnutzung gehindert, solange seine Mutter dieses Wohnrecht ausübte. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG scheitert demnach nicht daran, dass – berechnet ab dem Zeitpunkt des Erbfalls – eine Bestimmung der Wohnung zur Selbstnutzung nicht innerhalb von sechs Monaten und damit nicht unverzüglich erfolgte. Im Einzelfall kann eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung selbst dann gegeben sein, wenn der Einzug erst 24 Monate nach dem Erbfall erfolgt.
Denkanstoß
Ein späterer Einzug ins Familienheim, das heißt nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist, kann im Ausnahmefall unschädlich sein. Der Erbe muss dann aber glaubhaft darlegen, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten hat. Beachten Sie hierzu die BFH-Urteile vom 28.5.2019 (II R 37/16) und vom 6.5.2021 (II R 46/19).
Im aktuellen Besprechungsfall sah das Niedersächsische FG eine Verzögerung wegen längerer bzw. verzögerter Renovierungsarbeiten als unschädlich an. So durften die „national- und weltpolitischen Umstände des Kalenderjahres 2022“ dem Erben nicht zum Nachteil gereichen.
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Ein Beitrag von:
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
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Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.