Erste Tätigkeitsstätte oder aus zwei mach eins

In den letzten Monaten hat der BFH mehrfach zum Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte geurteilt, nun auch bei einem Gerichtsvollzieher. Ich möchte Ihnen das Urteil kurz vorstellen und vorweg sagen, dass ich die Entscheidung in der Sache zwar einerseits nachvollziehen kann, mich andererseits aber angesichts der Argumentation ein gewisses Unbehagen beschleicht, denn der BFH schafft es, aus zwei Tätigkeitsstätten eine zu machen und folglich den Abzug von Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen zu verweigern (Urteil vom 16.12.2020, VI R 35/18).

Der Sachverhalt in aller Kürze (weitere Details s. NWB Online-Nachricht Einkommensteuer | Erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers)

Ein Gerichtsvollzieher unterhält in seinem Amtsgerichtsbezirk in unmittelbarer Nähe zum Gericht ein Gemeinschaftsbüro. Hiervon nutzt er ein Bürozimmer zu seinen Bürozeiten an zwei Tagen für ca. 2 Stunden. Daneben betreibt er in seinem Einfamilienhaus ein eigenes Büro, das als weiteres Geschäftszimmer genehmigt ist. Der Gerichtsvollzieher wollte für die Fahrten zum Gericht, das er fast täglich aufsucht, 30 Cent pro gefahrenem Kilometer abziehen. Das Ansinnen wurde vom BFH abgelehnt.

Begründung

Erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers ist sein Amtssitz, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts, dem er zugeordnet ist, und dem Geschäftszimmer, welches er am Sitz des Amtsgerichts auf eigene Kosten vorzuhalten hat. Zwar nutzen der Kläger und die anderen Gerichtsvollzieher das Gemeinschaftsbüro aus eigenem Recht für ihre berufliche Tätigkeit. Gleichwohl ist es dem Dienstherrn angesichts der besonderen öffentlich-rechtlichen Regelung des Dienstverhältnisses eines Gerichtsvollziehers als betriebliche Einrichtung zuzurechnen. Büro und Amtsgericht stellen eine zusammengefasste ortsfeste betriebliche Einrichtung dar.

Halten wir also fest:

Obwohl sich das Gemeinschaftsbüro nicht „im“ Gericht befindet, sondern nur in dessen Nähe und obwohl es der Gerichtsvollzieher aus eigenem Recht nutzt, wird es ihm zusammen mit dem Amtsgericht als eine einzige erste Tätigkeitsstätte zugeordnet. Wie gesagt: In der Sache wohl richtig, gerade auch angesichts der besonderen dienstrechtlichen Vorschriften für Gerichtsvollzieher (hier: in Baden-Württemberg), aber dennoch irgendwie seltsam.


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