Firmenwagen: Wann ist der Anscheinsbeweis einer Privatnutzung erschüttert?

Für die Nutzung eines Firmen-Pkw, der sich im Betriebsvermögen befindet, ist grundsätzlich die 1%-Regelung zur Versteuerung der – tatsächlichen oder unterstellten – Privatnutzung anzuwenden, wenn kein Fahrtenbuch geführt worden ist. Die Finanzverwaltung kann sich u.a. auf den Beschluss des BFH vom 13.12.2011 (VIII B 82/11) berufen, wonach der “Beweis des ersten Anscheins” für eine Privatnutzung eines Fahrzeugs spreche. Wie immer bei derartigen Formulierungen streiten Fiskus und Steuerzahler darüber, wann ein erster Anschein vorliegt bzw. wie dieser erschüttert werden kann.

Diesbezüglich sei zunächst auf das Urteil des Niedersächsischen FG vom 20.3.2019 (9 K 125/18) hingewiesen, wonach eine Privatnutzung für einen VW Touareg auch dann anzunehmen ist, wenn sich im Privatvermögen ein Kleinwagen (hier ein Opel Corsa) befindet. Denn die Fahrzeuge seien in Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar. Wenn sich im Privatvermögen hingegen ein Volvo XC 90 befindet, könne der Anscheinsbeweis der Privatnutzung des VW Touareg erschüttert werden. Allerdings ist dazu Voraussetzung, dass der Volvo dem Betriebsinhaber jederzeit und uneingeschränkt zur Verfügung steht. Wird der Volvo hingegen auch vom Ehepartner genutzt, so sei diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Nunmehr soll kurz auf zwei weitere Urteile eingegangen werden. So hat das FG Münster geurteilt, dass der Anscheinsbeweis auch auf andere Weise als durch das Vorhandensein eines in Status und Gebrauchswert vergleichbaren Pkw im Privatvermögen erschüttert werden (Urteil vom 16. 8.2022, 6 K 2688/19 E).

Zum Haushalt der Eheleute gehörten zwei volljährige Kinder. Im Privatvermögen hielten diese insgesamt drei Kleinwagen, die in erster Linie von den Kindern genutzt wurden. Der Ehemann unterhielt einen kleinen Gartenbaubetrieb, war aber hauptberuflich anderweitig als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Ehefrau arbeitete auf Mini-Job-Basis im Betrieb des Ehemannes mit. Im Betriebsvermögen wurden u.a. ein BMW X3 und ein Ford Ranger gehalten, für die keine Fahrtenbücher geführt wurden. Für den BMW versteuerte der Kläger die Privatnutzung nach der 1%-Regelung, während er für den Ford Ranger keinen Privatnutzungsanteil ansetzte. Das Finanzamt wandte demgegenüber auch für den Ford Ranger die 1%-Regelung an, da die privaten Fahrzeuge in Status und Gebrauchswert nicht mit diesem Pkw vergleichbar seien und nicht allen Familienmitgliedern jederzeit ein Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung gestanden habe.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Die Richter seien nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Ford Ranger in den Streitjahren tatsächlich privat genutzt wurde. Nach dem Beweis des ersten Anscheins spreche die allgemeine Lebenserfahrung zwar dafür, dass betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt würden. Dieser Anscheinsbeweis sei im Streitfall allerdings erschüttert. Zwar handele es sich bei dem Ford Ranger um ein Fahrzeug, das sich typischerweise auch für eine Privatnutzung eignet. Auch der ebenfalls privat genutzte betriebliche BMW X3 sei nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, da er wegen der betrieblichen Nutzung nicht vollumfänglich für Privatfahrten zur Verfügung stehe. Doch es sei glaubhaft, dass der Ford Ranger permanent aufgrund seiner Zugkraft im Betrieb eingesetzt worden sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Gartenbaubetrieb nur als Nebentätigkeit ausgeübt habe und den Ford Ranger damit nicht arbeitstäglich selbst genutzt haben könne. Hierdurch sei die Möglichkeit einer Privatnutzung erheblich eingeschränkt gewesen. Zu berücksichtigen sei auch, dass beide Ehegatten für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aufgrund der kurzen Entfernungen keinen Pkw benötigt hätten. Schließlich habe der Ford Ranger auch nicht für bestimmte Anlässe privat genutzt werden müssen, da die Entsorgung von Grünschnitt über einen auf dem Grundstück befindlichen Container erfolgt und für den Umzug der Tochter ein Transporter geliehen worden sei. Es wurde die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Auch in einem Fall des FG Hamburg konnte der Anscheinsbeweis erfolgreich erschüttert werden: Stehen einem Steuerpflichtigen neben einem als Großraumtaxi genutzten Pkw drei weitere Pkw für die Privatnutzung zur Verfügung und werden die privaten Pkw nur von vier Personen genutzt, kann der erste Anschein einer Privatnutzung betrieblicher Pkw widerlegt sein (Urteil vom 11.12.2019, 2 K 10/19). Es lohnt sich, das Urteil genauer zu studieren.

Denkanstoß

Letztlich geht es in Fällen wie den obigen fast immer um Einzelfallentscheidungen. Und fast immer kommt es zu Streitigkeiten in der Betriebsprüfung. Von daher ist nur auf der sicheren Seite, wer ein – wohlgemerkt ordnungsgemäßes – Fahrtenbuch für Pkw im Betriebsvermögen führt. Ansonsten droht die Versteuerung nach der 1%-Regelung. Zugegebenermaßen ist die Führung eines Fahrtenbuchs aber kein Vergnügen.

Zur Frage der so genannten Selbstnutzungsverbote, etwa für den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, sei auf die Blog-Beiträge „Anwendung der Ein-Prozent-Regelung trotz Vereinbarung eines privaten Nutzungsverbots“, „Privatnutzung eines Kfz darf nicht immer unterstellt werden“ und „Einer GmbH muss das Finanzamt glauben“ hingewiesen.


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