Fitnessstudios im Lockdown – lag ein Leistungsaustausch vor?

Während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 mussten auch die Fitnessstudios schließen. Viele Betreiber haben ihren Mitgliedern damals angeboten, dass der Zeitraum, in dem die Mitglieder nicht trainieren konnten, am Ende der Mitgliedschaft beitragsfrei angehängt wird.  Auch wurden Onlinekurse angeboten und andere Aktivitäten entwickelt, um die Mitglieder zu behalten.

Die Frage ist, ob in der Zeit von Mitte März bis Mitte Mai 2020 dennoch ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch oder aber eine steuerbare Anzahlung der Mitglieder auf noch zu erbringende Leistungen vorlag.

Die Finanzverwaltung hat „naturgemäß“ auch während des Corona-Lockdowns umsatzsteuerbare Leistungen der Fitnessstudio-Betreiber gesehen. Das Schleswig-Holsteinische FG ist der Auffassung der Finanzverwaltung gefolgt. Das FG Hamburg sieht hingegen keinen umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch für den besagten Zeitraum; lediglich Anfang März, ­also vor dem Lockdown geleistete Beiträge, seien als steuerbare Anzahlungen zu werten. In beiden Verfahren wurde die jeweils Revision zugelassen, die auch vorliegen (XI R 36/22 und XI R 5/23).

Das Schleswig-Holsteinische FG hat für die Bejahung eines Leistungsaustauschs maßgebend darauf abgestellt, dass das auslösende Moment für die Fortzahlung der Beiträge ein Leistungsbündel gewesen sei, zu dem auch die Onlinekurse gehörten. Die eigentliche Frage, ob ein „vollkommen freiwillig“ erbrachter Beitrag der Umsatzsteuer unterliegt, stellte sich in dem Verfahren nicht und wurde daher auch nicht beantwortet (Schleswig-Holsteinisches FG,  Urteil vom 16.11.2022, 4 K 41/22).

Das FG Hamburg hat die zivilrechtliche Sichtweise im Blick gehabt: Es war dem Betreiber rechtlich unmöglich, dem jeweiligen Nutzungsberechtigten (d.h. dem Mitglied) die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit seine vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Nach unionsrechtlichen Maßstäben ist im Übrigen eine monatliche Betrachtungsweise geboten. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs auch nicht mehr nachholbar (FG Hamburg, Urteil vom 16.2.2023, 6 K 239/21, NWB RAAAJ-39833).

Die Ersatzleistungen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Dies gilt bei den Online-Kursen schon deshalb, weil diese nach Art und Umfang die ursprünglich angebotene Leistung nicht ersetzen konnten.

Es ist ferner kein freiwilliges Entgelt für eine Leistung gegeben. Es liegt auch keine Überzahlung oder Doppelzahlung vor. Weder zahlten die Mitglieder die Mitgliedsbeiträge irrtümlich doppelt noch zahlten sie versehentlich zu viel. Vielmehr fiel die Leistung wegen rechtlicher Unmöglichkeit weg und die Mitglieder zahlten trotzdem für diese Monate ihre (richtigen und vollständigen) Mitgliedsbeiträge. Die Leistung bleibt gänzlich aus, damit fehlt der unmittelbare Zusammenhang.

Denkanstoß:

Beide Finanzgerichte haben es sich nicht leicht gemacht und ihre Urteile ausführlich begründet. Ich selbst würde – ebenso wie das FG Hamburg – die zivilrechtliche Sichtweise (vgl. dazu das BGH-Urteil vom 4.5.2022, XII ZR 64/21) in den Vordergrund stellen und einen umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch verneinen. Letztlich ist es aber müßig, sich zu sehr den Kopf darüber zu zerbrechen, denn früher oder später wird uns der BFH die Antwort geben. Diese wird hoffentlich so umfassend sein, dass sie über den Fall der Fitnessstudios hinausgeht, denn auch andere Wirtschaftsteilnehmer waren vom Lockdown betroffen und haben „freiwillige“ Zahlungen erhalten. Man denke nur an die Profi-Sportvereine.

 

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