Freie Mitarbeit: Bundessozialgericht wird in Kürze wichtige Urteile fällen

In der kommenden Woche werden viele Pflegekräfte und Ärzte, wohl aber auch zahlreiche Steuerberater erwartungsvoll nach Kassel zum Bundessozialgericht (BSG) schauen. Denn dieses wird voraussichtlich am 4. und am 7. Juni zahlreiche wegweisende Urteile zur Frage der freien Mitarbeit bzw. Scheinselbstständigkeit fällen. Worum geht es?

In elf Verfahren geht es um die Frage, ob Ärzte als sogenannte Honorarärzte in einem Krankenhaus als freie Mitarbeiter tätig sein können und damit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Darüber wird das BSG am 4. Juni 2019 mündlich verhandeln und voraussichtlich eine Entscheidung verkünden (Az. B 12 R 11/18 R und weitere).

Honorarärzte werden häufig nebenberuflich oder für eine Vielzahl von Auftraggebern – zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet – auf Basis individuell vereinbarter Einsätze und Dienste tätig. Oft werden sie über Agenturen vermittelt und arbeiten für einen vorher festgelegten Stundensatz, der üblicherweise deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten angestellten Arztes liegt. Die Verfahren betreffen Tätigkeiten im Operationsdienst, mit einem Schwerpunkt bei der Fachgruppe der Anästhesisten, im Stationsdienst am Tag und/oder im Bereitschaftsdienst nachts und am Wochenende. Die beteiligten Ärzte und Krankenhäuser verstehen die Tätigkeit als selbstständige bzw. freie Mitarbeit.

Die zuständigen Rentenversicherungsträger und ihnen ganz überwiegend folgend die Landessozialgerichte haben hingegen für diese Tätigkeiten eine Sozialversicherungspflicht angenommen, weil die Ärzte in den Krankenhausbetrieb eingegliedert und weisungsgebunden gewesen seien.

In vier weiteren Verfahren wird die Frage zu beantworten sein, ob Pflegekräfte im stationären Bereich von Pflegeheimen als freie Mitarbeiter tätig sein können. Darüber wird das BSG am 7. Juni mündlich verhandeln und voraussichtlich ebenfalls noch am gleichen Tag eine Entscheidung verkünden (Az. B 12 R 6/18 R und weitere).

Denn auch Pflegefachkräfte, die auf Honorarbasis tätig werden, sind häufig für eine Vielzahl von Auftraggebern – ebenfalls zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet – auf Basis individuell vereinbarter Einsätze und Dienste tätig. Oft werden sie über Agenturen vermittelt und arbeiten für einen vorher festgelegten Stundensatz, der üblicherweise deutlich über dem Arbeitsentgelt einer vergleichbar eingesetzten angestellten Pflegefachkraft liegt. Die anhängigen Verfahren betreffen Tätigkeiten staatlich anerkannter Altenpfleger im Bereich der stationären Pflege in zur Versorgung durch die Pflegekassen zugelassenen Pflegeheimen, die sowohl im Tag-, als auch im Nacht- oder Wochenenddienst ausgeübt wurden.

Im Rahmen von Statusfeststellungsverfahren hat die Deutsche Rentenversicherung Bund Sozialversicherungspflicht angenommen, weil die Pflegekräfte in den Betrieb der Pflegeheime eingegliedert und weisungsgebunden gewesen seien. Die Tätigkeit prägende unternehmerische Risiken lägen nicht vor. Die dagegen gerichteten Klagen sind erfolglos geblieben. Dagegen wenden sich die Träger der Pflegeheime mit ihren Revisionen (so die PM des BSG vom 29.5.2019).

Die Urteile werden aller Voraussicht nach nicht nur den Bereich der Heilberufe betreffen. Vielmehr dürfte davon auszugehen sein, dass das BSG allgemeine Grundsätze zur freien Mitarbeit aufstellen und/oder seine bisherigen Urteile konkretisieren wird. Beispielsweise hatte das BSG mit Urteil vom 31.3.2017 (B 12 R 7/15 R) entschieden, dass ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, wenn das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt und es dadurch Eigenvorsorge zulässt. Die Landessozialgerichte legen die Entscheidung aber offenbar nicht einheitlich aus bzw. wissen nicht, was das Wort „deutlich“ letztlich bedeutet. Hier könnte das BSG in der kommenden Woche für Klarheit sorgen.

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