Geplante OECD-Digitalsteuer nimmt Fahrt auf

Seit Jahren wurde innerhalb der EU, aber auch auf OECD-Ebene erfolglos versucht, für international operierende Digitalkonzerne wie Amazon, Facebook oder Google eine gerechte Besteuerungslösung zu finden, die eine Flucht in Steueroasen ausschließt. Jetzt scheint Licht am Ende des Tunnels in Sicht.

Hintergrund

International operierende Digitalkonzerne wie Amazon, Facebook oder Google sind mit den bisherigen Instrumenten der (internationalen) Steuerpolitik nicht zu fassen. Ihre Geschäftsmodelle machen es möglich, das Ergebnis ihrer Arbeit in einem anderen Land zu versteuern als die Inhalte. Das benachteiligt diejenigen Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit von einer physischen Betriebsstätte aus anbieten, während international operierende Digitalunternehmen in der Lage sind, ihre Gewinne steuermindernd in Niedrigsteuerländer zu verlagern. Derzeit wird deshalb eine dauerhafte Lösung für die Herausforderungen gesucht, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben.

Da auf EU-Ebene wegen des Einstimmigkeitsprinzips (Art.153 AEUV) eine Einigung über einheitliche Besteuerung in Europa gescheitert ist, hat auf Anregung der EU die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein globales Steuermodell mit einer gerechten Verteilung der nationalen Besteuerungsrechte entwickeln will.

Was beinhalten die OECD-Pläne?

Im „Inclusive Framework on BEPS“ verhandeln 137 Staaten und Gebiete gleichberechtigt über international gültige Steuerregeln. Auf ihrer Sitzung vom 29./30.1.2020 beschlossen die Teilnehmer, die Verhandlungen über die auf zwei Säulen beruhenden Vorschläge von OECD und G20 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft weiter voranzutreiben: Ein dickes Brett, das dort bearbeitet wird.

Bei den Verhandlungen zur ersten Säule (Pillar 1) geht es um neue Regeln zur Frage, wo Unternehmensgewinne besteuert werden können (Anknüpfungsregeln) und zu welchen Anteilen (Gewinnzuweisungsregeln). Grundlage dafür ist der sogenannte „Unified Approach“. OECD-Ziel ist es hierbei, dass multinationale Unternehmen, die an einem Ort über einen längeren Zeitraum in bedeutendem Umfang geschäftlich aktiv sind, ohne dort physisch präsent zu sein, an diesem Ort auch besteuert werden können.

Zur zweiten Säule (Pillar 2) zählen die Verhandlungen über noch offene Fragen von Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) und darüber, wie sichergestellt werden kann, dass multinationale Unternehmen ein Mindestniveau an Steuern zahlen – und Gewinne nicht mehr in Steueroasen verlagern können.

Die Reformen der ersten Säule, mit denen einige Besteuerungsrechte – unabhängig von einer physischen Präsenz der Unternehmen – den Marktstaaten zugewiesen würden, dürften der  OECD-Analyse zufolge für die meisten Staaten einen kleinen Steuereinnahmezuwachs bringen. Volkswirtschaften mit niedrigem und mittlerem Einkommen dürften unter dieser Säule prozentual größere Mehreinnahmen erzielen als die führenden Volkswirtschaften. Große Investitionszentren könnten gewisse Einbußen verzeichnen. Über die Hälfte der Gewinne, für die die Besteuerungsrechte umverteilt würden, käme der Analyse zufolge aus 100 großen multinationalen Konzernen.

Die Analyse zeigt auch, dass die zweite Säule erhebliche zusätzliche Steuereinnahmen bringen könnte. Wenn die Steuersatzunterschiede zwischen den Ländern kleiner werden, wird es voraussichtlich auch zu erheblich weniger Gewinnverlagerungen durch multinationale Unternehmen – auch Digitalkonzernen – kommen. Dies wird besonders für Entwicklungsländer bedeutsam sein, weil sie von Gewinnverlagerungen tendenziell stärker betroffen sind als Volkswirtschaften mit hohem Einkommen.

Fazit der OECD-Analyse:

Die Digitalisierung der Wirtschaft würde sich positiv auf die globalen Steuereinnahmen auswirken. Die steuerlichen Auswirkungen des diskutierten Zwei-Säulen-Ansatzes werden auf bis zu 4 % der weltweiten Körperschaftsteuereinnahmen bzw. 100 Mrd. US-Dollar jährlich beziffert – das ist ein Wort!

Wie geht’s weiter?

Erst vor wenigen Wochen hatte die internationale Gemeinschaft ihre Absicht bekräftigt, eine gemeinsame und dauerhafte Lösung für die Herausforderungen zu finden, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben. Man arbeite weiterhin auf eine Einigung bis Ende 2020 hin, so die Erklärung des OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS. Der DIHK hat sich als Spitzenverband der deutschen Wirtschaft zu den Überlegungen der OECD in einer Stellungnahme geäußert. Der DIHK weist zu Recht darauf hin, dass zwischenzeitlich verschiedene Staaten (z.B. Frankreich, Österreich) auf nationaler Ebene sogenannte „Digital-Services-Taxes“ eingeführt bzw. beabsichtigen die Einführung einer solchen Steuer. Solche Steuererhebungen müssen spätestens dann aufgehoben werden, wenn ein globales Regelwerk zu Pillar 1 in Kraft tritt.

Insgesamt scheint nun aber nach jahrelangem Stillstand Bewegung in die OECD-Pläne zu kommen. Hinzu kommt, dass inzwischen auch bei den Digitalkonzernen selbst die Einsicht zu reifen scheint, dass aus Sicht der EU-Nationalstaaten frustrierend ist, wie Digitalkonzerne aus Drittstaaten in Europa besteuert werden. Und es wächst offenbar die Akzeptanz der Digitaljumbos, auch in den europäischen Märkten künftig mehr Steuern zu zahlen, in denen sie lukrative Geschäfte machen. Das ist ein erfreulicher Paradigmenwechsel auf dem Weg zu einer international fairen Digitalbesteuerung.

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