Geschäftsveräußerung im Ganzen – willkommen beim Roulette

Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ist bekanntermaßen nicht umsatzsteuerbar. Was aber als Geschäftsveräußerung im Ganzen gilt, kann höchst fraglich sein. In zahlreichen Fällen werden Unternehmer und Berater nahezu zur Verzweiflung getrieben, da die Lösungsfindung einem Roulette gleichkommt.

Nehmen wir einmal folgenden Fall: Ihr Mandant betreibt ein Hotel. Dieses verkauft er zum 1. Juli 2023. Der Erwerber versichert ihm, das Hotel weiter zu betreiben. Tatsächlich betreibt dieser das Hotel aber nicht selbst, sondern verpachtet es ab dem 2. Juli 2023 an eine Betreibergesellschaft. Erst diese führt den eigentlichen Geschäftsbetrieb des Hotels fort. Liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor? Nein, sagt das Finanzamt. Ja, sagt das FG München. Aber so ganz sicher ist es sich nicht, denn es wurde die Revision zugelassen (FG München, Urteil vom 2.2.2023, 14 K 2328/20, NWB FAAAJ-36402, Revision zugelassen).

Ich kann – ehrlich gesagt – beide Auffassungen verstehen, denn es gilt: Die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten müssen sich hinreichend ähneln. Die Verpachtung durch den Erwerber ähnelt aber nicht der Tätigkeit des Veräußerers, also dem Betrieb eines Hotels. Andererseits hat der BFH entschieden, dass die notwendige Fortführung der Unternehmenstätigkeit bei einer mehrfachen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen muss (BFH-Urteil vom 25.11.2015, V R 66/14, BStBl II 2020, 793, Rn. 29 ff).

Das FG München hat – sinngemäß – auf das genannte BFH-Urteil abgestellt. Es komme hinsichtlich des Ähnlichkeitserfordernis nicht auf die unternehmerische Tätigkeit des (Zwischen-)Erwerbers und an der Geschäftsveräußerung im Ganzen Beteiligten, sondern auf die tatsächlich fortgeführte Tätigkeit an.

Denkanstoß:

Im zugrundeliegenden Urteilsfall ging es übrigens nicht um ein Hotel. Vielmehr betrieb die Klägerin eine Fischverarbeitung, eine Fischzucht, einen Hofladen und eine Gaststätte. Auch hatte sie nur Teile ihres Betriebsvermögens veräußert, so dass sich auch insoweit weitere Rechtsfragen ergaben. Doch mein Blog-Beitrag sollte möglichst kurzgehalten werden und sich auf das Kernproblem beschränken. In ähnlichen Fällen ist jedenfalls zu empfehlen, das Urteil genau zu studieren. Beachten Sie auch den Aufsatz „Kettenübertragung bei Betriebsfortführung durch einen Pächter“ von Herrn Dr. Sterzinger in USt direkt digital 6/2023, Seite 8 (für Abonnenten kostenfrei).

Um aber doch noch einmal auf die Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Hotels zurückzukommen: Schauen Sie bei Interesse gerne auf den Blog-Beitrag „Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Hotelimmobilien – viele, viele Stolpersteine„. Ob andere Finanzgerichte ebenso wie das FG München entschieden hätten? Ich möchte es angesichts eines Urteils des FG Köln, das ich in diesem Blog-Beitrag behandelt habe, bezweifeln (FG Köln, Urteil vom 15.9.2020, 8 K 2974/18).


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