Gestern Meister, morgen Bachelor Professional – Bundestag verabschiedet Novelle zum Berufsbildungsgesetz

Der Bundestag hat am 24.10.2019 das Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung (BBiMoG) mit den Änderungsvorschlägen des federführenden Ausschusses (BT-Drs. 19/14431) verabschiedet. Der Bundesrat wird im Rahmen des sog. „Zweiten Durchgangs“ am 29.11.2019 über den Entwurf beraten und diesem voraussichtlich zustimmen. In diesem Fall wird das BBiMoG im Bundesgesetzblatt verkündet und am 01.01.2020 in Kraft treten.

Hintergrund

Eine duale Berufsausbildung ist seit Jahrzehnten die häufigste Qualifizierungswahl in Deutschland gewesen: 2018 haben 494.539 Personen ihre duale Berufsausbildung in einem der rund 330 nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksordnung (HwO) anerkannten Ausbildungsberufe begonnen, davon allein 309.830 in IHK-Ausbildungsberufen. Allerdings: 513.988 Personen haben ihre Ausbildung an einer Fachhochschule oder Hochschule begonnen. Diese Entwicklung zeigt deutlich, dass die Attraktivität der beruflichen Ausbildung gegenüber der Hochschulausbildung nachgelassen hat. Zielsetzung der BBiG-Novelle ist es also, auf wichtige Trends und Entwicklungen seit der letzten Novelle einzugehen und so den rechtlichen Rahmen für die weltweit vorbildliche duale Berufsbildung in Deutschland fit für die Zukunft aufzustellen (BT-Drs-19/14431).

Zentrale Ergebnisse der BBiG-Novelle

Das BBiMoG enthält nach dem Bundestagsbeschluss folgende Schwerpunkte:

Festschreibung einer Mindestvergütung für Auszubildende im BBiG:
Die Höhe der Mindestvergütung im ersten Ausbildungsjahr steigt vom 1. Januar 2020 bis zum 1.1.2023 schrittweise an und wird ab dem 1.1.2024 auf der Grundlage der durchschnittlichen Entwicklung der vertraglich vereinbarten Ausbildungsvergütungen angepasst werden. Tarifvertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütungen haben Vorrang vor der Mindestvergütung. Auch wenn in den meisten Fällen die Ausbildungsvergütungen über der künftigen Mindestvergütung liegen, geht die Bundesregierung von Mehrkosten der Ausbildungsbetriebe in Höhe von 57 Mio. Euro aus.

Neue Abschlussbezeichnungen in der beruflichen Fortbildung:
Die vom Hauptausschuss des BIBB empfohlenen beruflichen Fortbildungsstufen werden im BBiG und der HwO verankert. Diese Stufen werden bei bundesweiter Anerkennung eines Abschlusses durch Rechtsverordnung nach dem BBiG oder der Handwerksordnung (HwO) mit den neuen einheitlichen und eigenständigen Abschlussbezeichnungen „Geprüfter Berufsspezialist/in“ (neue Qualifikationsstufe), „Bachelor Professional“ (bisher Fachwirt) und „Master Professional“ (bisher Meister oder Betriebswirt IHK/HWK) versehen; die bisherigen Berufsbezeichnungen dürfen fortgeführt werden. Um eine missbräuchliche Führung dieser Abschlussbezeichnungen zu verhindern, wird ein dem Titelschutz bei hochschulischen Abschlüssen vergleichbarer Schutz implementiert.

Neuregelungen im Prüfungsbereich:
Die Abnahme von Prüfungsleistungen kann von der zuständige Stelle im Einvernehmen mit den Mitgliedern des Prüfungsausschusses ganz oder teilweise zur abschließenden Bewertung an für das Prüfungsgebiet bestellte Prüferinnen und Prüfer übertragen werden („Prüferdelegation“). Prüfungsausschuss oder Prüferdelegation können als noch weitergehende Flexibilisierung die Abnahme einzelner Prüfungsleistungen durch lediglich zwei Prüfende vorsehen, wenn es sich um Prüfungsleistungen handelt, bei denen die Erbringung und Bewertung ohne Verlust an Erkenntnis zeitlich auseinanderfallen kann. Hierunter fallen insbesondere schriftliche Prüfungsleistungen, aber auch praktische Prüfungsleistungen. Dies gilt leider nicht für „flüchtige Prüfungsleistungen“ (z.B. bei der Kochprüfung, bei der nicht das Ergebnis, sondern das Verfahren bewertet wird); hier sind weiterhin drei Prüfer erforderlich. Bestehen oder Nichtbestehen und Gesamtnote werden nach wie vor vom Prüfungsausschuss selbst festgestellt. Neu ist auch die automatisierte Auswertung von Prüfungsleistungen, die im Rahmen des Antwort-Wahl-Verfahrens erbracht wurden, wenn bei der Aufgabenerstellung festgelegt ist, welche Antworten als zutreffend anerkannt werden und welche Bewertungsmaßstäbe gelten. Im Fortbildungsbereich werden künftig gemeinsame Prüfungsausschüsse ermöglicht.

Rechtsanspruch auf Freistellung von Prüfern:
Es wurde eine verpflichtende Freistellung von Prüfern beschlossen, die vom Arbeitgeber freizustellen sind, wenn das zur Durchführung der ihnen durch das Gesetz zugewiesenen Aufgaben erforderlich ist und wichtige betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Eine Übernahme einer Kostenerstattung durch die Kammern wurde allerdings nicht Gesetz.

Freistellung von Auszubildenden:
Diese wird in § 15 BBiG neu geregelt. Die Regelung, dass Auszubildende an vor 9:00 Uhr beginnenden Berufsschultagen nicht beschäftigt werden dürfen, wird vom JArbSchG in das BBiG integriert. Ferner sollen alle Auszubildenden – auch die volljährigen – nicht nur für die Teilnahme am Berufsschulunterricht, sondern auch an einem Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden einmal in der Woche sowie in Berufsschulwochen mit einem planmäßigen Blockunterricht von mind. 25 Std. freigestellt werden. Auszubildenden haben außerdem an Arbeitstagen, die der schriftlichen Abschlussprüfung unmittelbar vorangehen, einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Ausbildungsbetrieb: Dann können sie nochmal „büffeln“ für die Prüfung.

Bewertung

Die Lage am Ausbildungsmarkt ist für Jugendliche nach wie vor sehr angespannt. So bilden nicht einmal mehr 20 Prozent der Betriebe überhaupt noch aus. Ursache des

Bestandsverlustes ist insbesondere, dass sich vor allem Klein- und Kleinstbetriebe nicht mehr an der Ausbildung beteiligen. In der Konsequenz klagt die Wirtschaft über einen Fachkräftemangel, der zu den größten Wachstumskillern zählt. So betrachtet ist das BBiMoG ein Schritt in die richtige Richtung. Denn es setzt viele Anreize für mehr duale Berufsausbildung und deren Gleichwertigkeit mit akademischen Abschlüssen.

Die Diskussion und Abstimmung im Bundestag belegt aber auch, wie umstritten die Regelung der beruflichen Bildung bleibt: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde mit den Änderungsvorschlägen des federführenden Ausschusses wurde nur mit der Regierungsmehrheit beschlossen. Änderungsanträge der Opposition (BT-Drs. 19/10219 (Grüne), 19/10757 (Linke), 19/11154 (AfD), 19/135 (FDP) wurden mit der Regierungsmehrheit abgelehnt. Und: wichtige Themen wie Digitalisierung, internationaler Austausch und Belange an- und ungelernter Arbeitnehmer bleiben im neuen Gesetz leider ungelöst. Mal sehen, ob der Bundesrat hieran am 29.11.2019 noch rüttelt.

Weitere Informationen:

Gesetzentwurf 19/10815, 19/12798, 19/14431 (Beschlussempfehlung)

Entschließungsantrag 19/14434 (abgelehnt)
Entschließungsantrag 19/14435 (abgelehnt)

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