Gleichgeschlechtliche Ehe: Jetzt noch Zusammenveranlagung für Altjahre beantragen

Viele gleichgeschlechtliche Paare haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Sie sollten nun aber eine wichtige steuerliche Frist beachten: Sie können nämlich bis zum 31.12.2020 rückwirkend die Zusammenveranlagung beantragen – und zwar für alle Jahre bis zum Beginn der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dies ist auch dann möglich, wenn die Steuerbescheide bereits bestandskräftig sind.

Voraussetzung ist, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 in eine Ehe umgewandelt worden ist (Artikel 97 § 9 Abs. 5 AO-Einführungsgesetz 2019, eingeführt durch das „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“).

Zum Hintergrund:

Seit dem 1.10.2017 ist die „Ehe gleichgeschlechtliche Paare“ Wirklichkeit. Bereits seit dem 1.8.2001 besteht für gleichgeschlechtliche Paare aber die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen (eingeführt mit dem „Lebenspartnerschaftsgesetz“ vom 16.2.2001).

Im Jahre 2013 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass auch eingetragene Lebenspartnerschaften Anspruch auf die steuerliche Zusammenveranlagung mit dem Splittingtarif haben. Die Ungleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren und heterosexuellen Ehen beim Ehegattensplitting sei verfassungswidrig (BVerfG-Urteile vom 7.5.2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07).

Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, die Rechtslage rückwirkend ab dem 1.8.2001 – dem Tag, an dem das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft getreten ist – zu ändern. Dies galt allerdings nur für diejenigen, die gegen ihre Steuerbescheide Einspruch eingelegt hatten („Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts“ vom 15.7.2013).

Zum 1.1.2019 wurde dann per Gesetz eine zweijährige Antragsfrist bis zum 31.12.2020 für gleichgeschlechtliche Ehepaare eingeführt, um die Zusammenveranlagung mit Splittingtarif beantragen können – und zwar rückwirkend bis zum Beginn der eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Umwandlung in eine Ehe zwar kein „rückwirkendes Ereignis“. Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wurde aber ausnahmsweise gesetzlich ein rückwirkendes Ereignis fingiert (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO), wenn die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe bis zum 31.12.2019 erfolgt und die Ehegatten bis zum 31.12.2020 gemeinsam die Änderung eines Steuerbescheids zwecks nachträglicher Berücksichtigung des Splittingtarifs beantragen.

Mit dieser großzügigen Regelung soll es den Betroffenen innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist ermöglicht werden, die Anpassung von Steuerbescheiden ungeachtet zwischenzeitlich eingetretener Bestandskraft und Festsetzungsverjährung zu beantragen.

Dies soll dem Rechtsfrieden dienen. Sehr löblich!


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