Hochbetrieb statt Sommerloch?

Üblicherweise schaltet in der Sommerpause auch das Bundesfinanzministerium einen Gang zurück. Doch in diesem Jahr könnten die Sommermonate eine ganze Flut von steuerlichen Gesetzentwürfen aus dem BMF bringen. Hintergrund ist der Ampelstreit um Wärmepumpen und den Bundeshaushalt, der auf andere Vorhaben ausstrahlt. Wird er gelöst, öffnen sich voraussichtlich die Tore.

In den vergangenen Monaten hat es ordentlich gekracht im Gebälk der Ampelkoalition. Neben den Wärmepumpen liegen die Koalitionäre insbesondere beim Bundeshausalt für 2024 über Kreuz. Nach der Mai-Steuerschätzung ist klar, dass die Steuermilliarden zwar immer noch reichlich sprudeln, aber eben nicht mehr so reichlich, dass es für alle politischen Wunschvorstellungen reicht. Es muss eine Gesamteinigung her, in der SPD, Grüne und FDP festlegen, was geht und was nicht. Für die Steuerpolitik heißt das, dass die von Bundesfinanzminister Lindner angekündigten Entlastungen bis zu dieser Gesamteinigung allesamt strittig sind. Daher lässt es das BMF bis dahin auch bei Maßnahmen langsam angehen, die eher von den anderen Koalitionspartnern gewünscht werden.

Gelingt die Einigung auf einen gemeinsamen Haushaltsentwurf bis zur letzten Sitzungswoche von Bundestag und Bundesrat, die am 07.07.2023 endet, könnte sich ab Ende Juni und über den Sommer 2023 hinweg die aufgestaute Steuergesetzgebung in Form zahlreicher Gesetzentwürfe oder auch von ein oder zwei sehr umfangreichen Omnibusgesetzen lösen. Soweit bekannt, stehen insbesondere die folgenden Vorhaben in den Startlöchern und warten auf das Go aus der Koalitionsspitze:

Erstmals vor ca. einem Dreivierteljahr angekündigt, ist nach wie vor wenig zu den genauen Inhalten des Steuerfairnessgesetzes bekannt. Auf jeden Fall enthalten sein soll eine nationale Steueroasenliste. Diese soll zusätzlich zur bekannten EU Blacklist geführt werden. Es ist zu erwarten, dass künftig auch für Länder, die lediglich aus deutscher Sicht als „Steueroasen“ gelten, die Maßnahmen des Steueroasen-Abwehrgesetzes greifen. Auch deutschen sog. „Gewerbesteueroasen“ soll es an den Kragen gehen, z.B. mit einer Erhöhung des Mindesthebesatzes. Ebenfalls als gesetzt gilt die Einführung eine Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungen, die sich eng an die bekannte Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen anlehnen soll. Weniger bekannt ist über die genaue Ausgestaltung der Zinshöhenschranke, die wohl darauf abzielen wird, konzerninterne Zinssätze der Höhe nach zu beschränken, z.B. auf den Konzernrefinanzierungssatz. Zur weiteren Zielrichtung des Gesetzes sind bislang lediglich einige Schlagworte bekannt, darunter „Immobilienbesteuerung“, „Quellensteuern“, „Gestaltungen mit Familienstiftungen“.

Mehr Freude könnte das Entlastungspaket machen, wenn der Finanzminister die dafür nötigen Milliarden organisiert. Gesetzt ist hier nur die Investitionsprämie für den Klimaschutz, die als Zulage ähnlich wie die Forschungszulage oder die frühere Investitionszulage konzipiert sein wird. Auch die Forschungszulage soll mit einer höheren Fördersumme und ggf. der Einbeziehung von Sachkosten attraktiver werden. Für Personenunternehmen wird über Nachbesserungen an der Thesaurierungsbegünstigung sowie dem Optionsmodell nachgedacht. Geht es nach dem BMF, dürfen sich KMU Hoffnungen auf einen attraktiveren Investitionsabzugsbetrag bzw. Sonderabschreibung nach § 7g EStG machen. Zur Diskussion stehen auch Verbesserungen bei der Verlustverrechnung. Dem Vernehmen nach will das BMF den Befürchtungen v.a. der Länder entgegentreten, die den Abbau der hohen Verlustvorträge der Unternehmen fürchten und als Damoklesschwert über ihren Steuereinnahmen ansehen. Ob dagegen die degressive AfA noch auf das laufende Jahr erstreckt wird, wie Anfang 2023 angekündigt, darf bezweifelt werden. Die AfA gilt fiskalisch als teuer und hätte bei einer Verlängerung erst in der zweiten Jahreshälfte wohl nur Mitnahmeeffekte zur Folge. Auch darüber hinaus steht zu befürchten, dass nicht alle der vorgenannten Maßnahmevorschläge die laufende Haushaltsdiskussion überleben.

Potenziell umfangreich ist stets das auch für 2023 angekündigte Jahressteuergesetz. Belastbare Aussagen zu dessen Inhalten liegen aber noch nicht vor. Eventuell wird die Einführung einer verpflichtenden elektronischen Rechnung für B2B-Umsätze, für die seit März ein Diskussionsvorschlag vorliegt, in das JStG aufgenommen. Bei der ebenfalls angekündigten Bürokratieentlastung liegt der Verdacht nahe, dass erneut nurmehr einige Schwellenwerte, Freibeträge u.ä. ein wenig angehoben werden. Unmittelbar mit der Haushaltseinigung verknüpft und auch im Koalitionsvertrag verankert ist die Forderung, klima- und umweltschädliche Subventionen zu streichen, auch im Steuerbereich. Dem Vernehmen nach steht das BMF hier aber auf der Bremse, v.a. bei den immer wieder im Fokus stehenden Themen Pendlerpauschale und Dienstwagenbesteuerung. Zumal eine Streichung der Pendlerpauschale den Wettbewerb um knappen innerstädtischen Wohnungen weiter anheizen und damit den Fokus auf die Schwächen des öffentlichen Nahverkehrs und hohen Mieten in Ballungszentren lenken würde.

Handlungsdruck besteht dagegen zum 01.01.2024 im Bereich der Personengesellschaften, soweit steuerliche Folgewirkungen aus der zu diesem Datum in Kraft tretenden Modernisierung des Personengesellschaftsrechts und der damit einhergehenden gesellschaftsrechtlichen Abschaffung der Gesamthand abgefedert werden sollen. Für die Ertragsteuern wird vermutlich eine eigenständige Definition der Gesamthand in § 39 AO aufgenommen. Offen ist, wie mit den Folgewirkungen in der Erbschaftsteuer, v.a. aber in der Grunderwerbsteuer umgegangen wird. Für die Grunderwerbsteuer könnte eine Lösung in der Umsetzung des sog. Modernisierungsmodells („MoMo“) bestehen, das derzeit von einer unabhängigen Arbeitsgruppe, in der auch Vertreter der Finanzverwaltung mitgearbeitet haben, beworben wird. Dieses Modell will insbesondere die inzwischen hochkomplexen Ersatztatbestände komplett neu regeln. Damit könnte die Koalition auch ihren schwierigen Arbeitsauftrag lösen, die Besteuerung von Share Deals neu zu regeln. Ob eine so grundlegende Reform wie das MoMo schon bis Jahresende umsetzbar wäre, darf aber bezweifelt werden.

Etwas weiter fortgeschritten sind die Arbeiten an zwei Gesetzen, für die bereits je ein detaillierter Diskussions- oder Referentenentwurf vorliegt. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz, das steuerlich insbesondere die Mitarbeiterkapitalbeteiligung attraktiver machen will, sowie die Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung, die zwingend bis Jahresende umzusetzen ist. Während die globale Mindeststeuer einem festen Umsetzungspfad folgt – Referentenentwurf wohl im Juni, Regierungsentwurf im August, parlamentarisches Verfahren ab September – sind auch einige der im Zukunftsfinanzierungsgesetz geplanten Entlastungen in die Ausläufer des Koalitionsstreits geraten. Mit dem überarbeiteten Regierungsentwurf dürfte daher erst ab Anfang Juli zu rechnen sein.

All dies zusammengenommen, könnte auf den Steuergesetzgeber im zweiten Halbjahr 2023 ein großer Berg Arbeit zukommen. Es bleibt zu hoffen, dass unter der Quantität nicht die Qualität leidet und dass in Zeiten der Rezession am Ende aus Haushaltsnöten nicht nur die restriktiven Maßnahmen übrigbleiben.


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