Insolvenzgefahren in der Corona-Krise: Welche Hilfe Wirtschaftskammern leisten können

Rollt als Folge der wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Pandemie eine Unternehmens-Pleitewelle auf uns zu? Welche Rolle haben die Wirtschaftskammern IHK und HWK hierbei als Partner der Handwerksbetriebe der Unternehmen in der Krise? Der Versuch einer Antwort.

Hintergrund

Obwohl die Zahlen des Statistischen Bundesamtes noch keine auffällige Steigerung von Unternehmensinsolvenzen haben erkennen lassen, dürfte die Zahl der überschuldeten oder zahlungsunfähigen Unternehmen wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie in Kürze steigen. Umsatzausfälle aufgrund staatlicher Schließungsanordnungen, aber auch verzögerte Auszahlung von staatlichen Corona-Kompensationszahlungen (November- bzw. Dezemberhilfen; Überbrückungshilfen) sind wesentliche Ursachen für diese Befürchtung. Der Gesetzgeber hat hierauf bereits durch die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragsfrist für Unternehmen reagiert (§ 1 Abs.3 COVInsAG), die berechtigt sind Corona-Finanzhilfen zu beantragen und voraussichtlich auch welche bekommen – ich habe berichtet.

Mit dem vom Bundestag am 17.12.2020 beschlossenen SansInsFoG (v. 22.12.2020, BGBl. I 3256, 3292) will der Bund einen Rechtsrahmen schaffen, der es Unternehmen ermöglicht, sich bei drohender, aber noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit, außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu sanieren. Eine wichtige Rolle nimmt dabei auch die Einrichtung von „Frühwarnsystemen“ für Unternehmen ein, die in der Krise zur Vermeidung einer Insolvenz helfen können.

Wirtschaftskammern als Ratgeber der Unternehmen

Art. 3 Abs. 1 EU-Restrukturierungs-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, unternehmerisch tätigen Schuldnern Zugang zu einem oder mehreren Frühwarnsystemen zu gewähren, „die Umstände erkennen können, die zu einer drohenden Insolvenz führen können, und Schuldnern signalisieren können, dass unverzüglich gehandelt werden muss“. Hierzu zählen auch die Beratungsdienste der öffentlich-rechtlichen Wirtschaftskammern, die das SanInsFoG nunmehr ausdrücklich anspricht:

  • Durch Art.19 SanInsFoG ist das Aufgabenspektrum der IHKn durch § 1 Abs.2 S.2 IHKG n.F. erweitert worden: „Sie können die ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks zu Fragen der Früherkennung von Unternehmenskrisen und deren Bewältigung beraten.“
  • Gleichlautend ist durch Art. 21 des Gesetzes für den Bereich der Handwerkskammern (HWKn) die bestehende Regelung um einen § 91 Abs.3 b HandwO erweitert worden: „Die Handwerkskammer kann Betriebe des Handwerks oder eines handwerksähnlichen Gewerbes des Handwerkskammerbezirks zu Fragen der Früherkennung von Unternehmenskrisen und deren Bewältigung beraten.“
  • Gleichzeitig wird durch Ergänzung von § 12 GewO klargestellt, dass „Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist, ermöglichen“, während der Zeit insolvenzrechtlicher Restrukturierungsmaßnahmen keine Anwendung finden. Damit wird sichergestellt, dass keine dem Insolvenzrecht zuwiderlaufende Entscheidungen über den Fortbestand des Gewerbebetriebes getroffen werden können (BT-Drs. 19/24181, S.223).

Auswirkungen auf die Praxis

Unternehmensberater, aber auch Steuerberatungs- und Wirtschaftsberatungsgesellschaften sowie auf Insolvenzrecht spezialisierte Rechtsanwaltsgesellschaften bieten zwar individuelle Analysen und Beratungsleistungen – auch im Vorfeld einer sich abzeichnenden Insolvenz – an. Es ist grundsätzlich auch nicht Aufgabe der Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern, in Wettbewerb zu ihren Mitgliedsunternehmen zu treten. Soweit jedoch sachlich oder regional ein Bedarf besteht, der vom regionalen Markt nicht oder nicht ausreichend gedeckt wird, können die Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft tätig werden, auch wenn sie dadurch in Wettbewerb zu Mitgliedsunternehmen treten, ohne diese zu verdrängen.

Dieses Angebot können und sollten Unternehmen nutzen – nicht nur in der Krise, aber gerade dann. Die Wirtschaftskammern leisten kostenlose Erstberatung, können und dürfen wegen der Einschränkungen des RechtsdienstleistungsG (RDG) aber eine in die Tiefe gehende Einzelberatung nicht anbieten. Sie verfügen aber über ein umfangreiches Netzwerk an Kontakten, die hilfreich sein können. Sie haben einen Überblick über staatliche Finanzierungs- und Kreditprogramme, deren Inanspruchnahme helfen können. Sie können auch Mediations- und Schlichtungsaufgaben übernehmen, z.B. wenn es darum geht Schuldner und Gläubiger an den gemeinsamen Verhandlungstisch zu bringen – etwa wenn es um neue Zahlungsziele oder Forderungsstundung geht.

Auf dieses Serviceangebot sollten Unternehmen nicht verzichten!

Quellen


Neu ab Februar: NWB Themenpaket Sanieren und Restrukturieren

 

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