Ist die neue Entfernungspauschale – wieder – verfassungswidrig?

Bürger, die einen langen Arbeitsweg von 21 Kilometern oder mehr zurücklegen müssen, sollen ab dem 1. Januar 2021 von einer erhöhten Entfernungspauschale profitieren. Zur Entlastung der Fernpendler soll unabhängig vom benutzten Verkehrsmittel die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer um 5 Cent auf 35 Cent angehoben werden. Die – zunächst befristete – Anhebung wird entsprechend auch auf Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung übertragen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und 5 EStG, Entwurf des „Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht“).

Natürlich erinnert die geplante Gesetzesänderung an die – im Jahre 2008 – für verfassungswidrig eingestufte Regelung. Mit Wirkung ab 2007 bestimmte der Gesetzgeber in § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG (entsprechend auch in § 4 Abs. 5a EStG), dass die Aufwendungen für die Wege zur regelmäßigen Arbeitsstätte keine Werbungskosten sind (Satz 1), dass aber „zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen“ für Fahrten ab dem 21. Entfernungskilometer eine Pauschale von 0,30 Euro „wie Werbungskosten“ anzusetzen ist (Satz 2). Die grundsätzliche Einführung des sog. Werkstorprinzips nach Satz 1 wurde im Gesetzgebungsverfahren mit dem Ziel notwendiger Konsolidierung des übermäßig verschuldeten Staatshaushalts (durch erwartete jährliche Mehreinnahmen von rund 2,53 Mrd Euro) begründet, die verbliebene Abzugsfähigkeit der erhöhten Aufwendungen für längere Wegstrecken als ergänzende Härtefallregelung.

Auf die Vorlagen der Finanzgerichte Niedersachsens und des Saarlandes sowie des BFH entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass diese Neuregelungen mangels verfassungsrechtlich tragfähiger Begründung mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG an eine folgerichtige Ausgestaltung einkommensteuerrechtlicher Belastungsentscheidungen nicht vereinbar und verfassungswidrig waren. Der Gesetzgeber war danach verpflichtet, rückwirkend auf den 1. Januar 2007 die Verfassungswidrigkeit durch Umgestaltung der Rechtslage zu beseitigen (BVerfG, Urteil vom 9.12.2008, 2 BvL 1/07).

Der Gesetzgeber versucht nun, mit einer ausführlicheren Begründung die jetzt geplante Neuregelung verfassungskonform zu gestalten. Ob ihm das gelingt?

Ein Satz aus dem damaligen Vorlagebeschluss lässt jedenfalls aufhorchen: „…. erscheine die Härteregelung in sich widersprüchlich, weil sie gerade diejenigen begünstige, die sich nicht der Mühe unterzögen, ihren Wohnsitz in der Nähe ihres Arbeitsplatzes zu nehmen.“

Meines Erachtens wird die Neuregelung zumindest dieses Argument nicht entkräften können. Ob es von Gewicht ist, wird sich zeigen.

Man muss dem Gesetzgeber aber zugutehalten, dass er einen anderen Punkt – zumindest im Ansatz – berücksichtigt. In dem damaligen Urteil hieß es: „Bei Geringverdienern mit hinreichend hohen Fahrtkosten könne die Neuregelung zu einem Verstoß gegen das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen führen.“ Mit der Mobilitätsprämie wird dem nun entgegengetreten.

Und es kommt noch hinzu, dass die Jahre 2006 ff. davon geprägt waren, aufgrund der knappen Haushalte rein fiskalisch zu denken. Sprich: Gesetzesänderungen nur zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu verabschieden. Das ist dieses Mal anders, denn nun geht es um den Klimaschutz.

Meine Prognose daher: Mit dem Ziel „Klimaschutz“ verbunden mit der Mobilitätsprämie werden sich die Verfassungshüter erweichen lassen.

Lesen Sie in der NWB Datenbank hierzu auch:

Langenkämper, Entfernungspauschale, infoCenter VAAAB-14224
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