Jahressteuergesetz 2020 definiert Zusätzlichkeitserfordernis (Teil I)

Mit dem Jahressteuergesetz wurden wichtige lohnsteuerrechtliche Änderungen im EStG vorgenommen. Unter anderem wurden nunmehr die Tatbestandsmerkmale für das Vorliegen von „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbrachten Leistungen gesetzlich definiert. Welche Folgen hat dies für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Hintergrund

Steuerbefreiungen sowie die Möglichkeit der Pauschalierung der Lohnsteuer sind gem. EStG an vielen Stellen davon abhängig, dass die entsprechende Leistung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht wird. In diesem Zusammenhang wird auch von dem sog. Zusätzlichkeitserfordernis gesprochen. Beispielsweise sieht § 3 Nr. 33 EStG vor, dass „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen steuerfrei sind. Ebenso sieht z.B. § 3 Nr. 15 EStG die Steuerfreiheit für die Überlassung von Fahrtickets vor, soweit diese „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht werden. Weitere Vorschriften sind (exemplarisch):

  • Steuerfreie Überlassung von Fahrrädern an Mitarbeiter nach § 3 Nr. 37 EStG;
  • Steuerfreie Überlassung von Gutscheinen im Rahmen der 44 Euro-Freigrenze (ab VZ 2020 dann 50 Euro) nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG;
  • Steuerfreie Gesundheitsförderung nach § 3 Nr. 34 EStG;
  • Steuerfreie Übernahme von Betreuungsdienstleistungen und Beratungen nach § 3 Nr. 34a EStG;
  • Pauschalversteuerter Fahrtkostenzuschuss für PKW nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b EStG;
  • Pauschalversteuerter Internetzuschuss nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG;
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Datenverarbeitungsgeräten nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG;
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Fahrrädern nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG;
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Stromladestationen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG.

Geänderte Rechtsprechung des BFH zum Zusätzlichkeitserfordernis

Ungeklärt war über lange Zeit, wann das Kriterium „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ tatsächlich erfüllt ist und wann Leistungen nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn, sondern vielmehr anstelle einer anderen Leistung im Rahmen des ohnehin geschuldeten Arbeitslohns gezahlt werden. Klärungsbedürftig war v.a., ob bei einem entsprechenden Gehaltsverzicht mit einer gleichzeitig vereinbarten Zusatzleistung das Tatbestandsmerkmal „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erfüllt ist.

Mit den Urteilen vom 01.08.2019 (VI R 21/17 und VI R 40/17) hatte der BFH seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH v. 19.09.2012, VI R 54/11 und VI R 55/11) zu der Tatbestandsvoraussetzung der Zusätzlichkeit geändert. In den beiden Urteilen hatte der BFH verneint, dass bestimmte Steuervergünstigungen für Sachverhalte mit Gehaltsverzicht oder -umwandlung durch die Voraussetzung der Zusätzlichkeit ausgeschlossen werden. Unter Verwendung des Begriffs des „Lohnformwechsels“ konstatierte der BFH, dass es vielmehr nur erforderlich sei, dass der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird. In diesem Fall könne gem. des VI. Senats „der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen“. Ohnehin geschuldeter Arbeitslohn ist nach der ergangenen Rechtsprechung des BFH solcher Lohn, welchen der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung erbringt.

Auf die Urteile folgte ein Nichtanwendungserlass. So kündigte das BMF mit Schreiben vom 5.2.2020 (IV C 5 – S 2334/19/10017 :002) an, dass die Urteile des BFH über den entschiedenen Fall hinaus nicht anzuwenden sind.

Definition der Zusätzlichkeit nunmehr in § 8 Abs. 4 EStG

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 hat der Gesetzgeber nunmehr eine neue Regelung in § 8 Absatz 4 EStG eingefügt, welche klargestellt, dass nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt sind. Demnach werden Leistungen nur dann „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht, wenn

  • die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt wird,
  • die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wird und
  • bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Unabhängig davon ist, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist. Unter den genannten Voraussetzungen ist von einer „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbrachten Leistung auch dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder auf Grund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage (wie Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Gesetz) einen Anspruch auf diese hat.

Keine Umsetzung der geforderten Verschärfungen des Bundesrates

Die Vorschrift ist erstmals anzuwenden auf solche Leistungen, die in einem nach dem 31.12.2019 endenden Lohnzahlungszeitraum oder als sonstige Bezüge nach dem 31.12.2019 zugewendet werden. Nicht umgesetzt worden sind die zunächst geforderten Verschärfungen des Bundesrates v. 09.10.2020.  Dieser hatte vorgeschlagen, dass die Änderungen des § 8 Abs. 4 EStG „in allen offen Fällen“ zur Anwendung kommen sollten und konstatierte, dass einer rückwirkenden Anwendung keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen würden (vgl. Blog-Beitrag  vom 15.10.2020 von Prof. Ralf Jahn: Update „Zusätzlichkeitserfordernis“ bei Arbeitgeberleistungen: Bundesrat will Verschärfungen im JStG 2020 „verbösern“).

Welche Konsequenzen die nunmehr vorgenommene Kodifizierung des Zusätzlichkeitserfordernisses im EStG für die Anwender mit sich bringt, lesen Sie im zweiten Teil des Blog-Beitrags.

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