JStG 2020 – Bundesregierung hält an „Zusätzlichkeit“ bei Lohnumwandlung weiter fest

Am 8.10.2020 hat der Bundestag nach erster Lesung das JStG 2020 an den Finanzausschuss überwiesen (BT-Drs. 19/22850). Trotz vehementer Kritik der Wirtschaftsverbände am Referentenentwurf hält die Bundesregierung unverändert an ihren Verschärfungsplänen zum „Zusätzlichkeitserfordernis“ beim ohnehin geschuldeten Arbeitslohn fest. Sind im Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen denkbar?

Hintergrund

Ich hatte berichtet: Mit der vorgesehenen gesetzlichen Neuregelung in § 8 Abs. 4 EStG i.d.F JStG 2020 soll die bestehende Verwaltungsauffassung (R 3.33 Abs. 5 LStR) zur „Zusätzlichkeitsvoraussetzung“ beim Kriterium „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gesetzlich festgeschrieben werden. Nach der Verwaltungsauffassung war das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ nicht erfüllt, wenn auf einen bestehenden Anspruch auf Arbeitslohn verzichtet wurde. Der BFH (Urteil vom 1.8.2019 – VI R 32/18) hat demgegenüber eine differenzierte Sichtweise eingenommen und einen Lohnformenwechsel grundsätzlich anerkannt. Nach BFH- Sichtweise ist der „ohnehin geschuldete Arbeitslohn“ derjenige, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung leistet.

Das BMF (Schreiben vom 5.2.2020 – IV C5 – S 2334/19/10017:002)  ist dem BFH entgegengetreten und hat dessen Urteile über den entschiedenen Einzelfall hinaus für nicht anwendbar erklärt. Jetzt will die Bundesregierung diese BMF-Ansicht im Gesetz festschreiben.

JStG 2020 in erster Lesung im Bundestag

Am 8.10.2020 hat der Bundestag in erster Lesung das JStG 2020 behandelt und an den federführenden Finanzausschuss überwiesen (BT-Drs. 19/22850). Die Beratung im Bundesrat soll bereits am 9.10.2020 erfolgen, der Finanzausschuss will am 26.10.2020 die Verbände anhören. Künftig wäre das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ nicht erfüllt, wenn

  • der Wert einer Arbeitgeberleistung (Sachbezüge oder Zuschüsse) auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • der Anspruch auf Arbeitslohn zugunsten der Leistung herabgesetzt oder
  • die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung anstelle einer Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wird.

Hiervon betroffen sind sachlich:

  • Steuerfreier Kinderbetreuungszuschuss nach § 3 Nr. 33 EStG
  • Steuerfreie Überlassung von Fahrtberechtigungen (Jobtickets) nach § 3 Nr. 15 EStG
  • Steuerfreie Überlassung von Fahrrädern an Mitarbeiter nach § 3 Nr. 37 EStG
  • Steuerfreie Überlassung von Gutscheinen im Rahmen der 44 Euro-Freigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG (seit 2020)
  • Steuerfreie Gesundheitsförderung nach § 3 Nr. 34 EStG
  • Steuerfreie Übernahme von Betreuungsdienstleistungen und Beratungen nach § 3 Nr. 34a EStG
  • Pauschalversteuerter Fahrtkostenzuschuss für PKW nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b EStG
  • Pauschalversteuerter Internetzuschuss nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Datenverarbeitungsgeräten nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Fahrrädern nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Stromladestationen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG

Bewertung

Dass die Bundesregierung in ihrem jetzigen Gesetzentwurf am Zusätzlichkeitserfordernis im neuen § 8 Abs. 4 EStG festhält, ist ärgerlich, zumal schon beim Referentenentwurf durch die Verbände scharfe Kritik geäußert wurde. Wenn der Gesetzgeber im weiteren Verfahren tatsächlich am Zusätzlichkeitserfordernis trotzdem festhält, droht er zu übersehen, dass er gerade in der wirtschaftlich schwierigen Corona-Krise eine Chance verspielt, die Arbeitnehmern mehr netto belassen und Arbeitgeber von vermeidbaren Lohnnebenkosten entlastet hätte.

Erst recht verdient Kritik, dass die Bundesregierung die Neuregelung in § 8 Abs. 4 EStG rückwirkend für das gesamte Jahr 2020 für anwendbar erklären will (§ 52 Abs. 1 EStG). Dies verwundert, nachdem das Gesetzgebungsverfahren sich noch eine Weile hinziehen und das JStG 2020 voraussichtlich erst im Dezember 2020 verkündet werden wird. Mit der Rückwirkung der Neuregelung auf den VZ 2020 würden zusätzlich von Arbeitgebern im Jahr 2020 bislang steuerfrei gewährte Zusatzleistungen über Nacht Makulatur, da sie in den meisten Fällen nicht die Anforderungen der Zusätzlichkeit erfüllen werden: Das würde zu umfangreichen Nachversteuerungen führen, begleitet von einer gigantischen bürokratischen Mehrbelastung.

Man muss kein Prophet sein für die Feststellung, dass ein solches gesetzgeberisches Verhalten der ideale Nährboden für weitere gerichtliche Auseinandersetzungen sein wird.

Quellen:
BT-Drs. 19/22850

Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag:
„Zusätzlichkeitsvoraussetzung“ beim Arbeitslohn – Entwurf JStG 2020 verschärft die Gesetzeslage (NWB Experten-Blog v. 25.08.2020)


2 Gedanken zu “JStG 2020 – Bundesregierung hält an „Zusätzlichkeit“ bei Lohnumwandlung weiter fest

  1. Wenn es nach dem Willen des Bundesrates geht, soll der neue § 8 Abs. 4 EStG sogar in „allen offenen Fällen“ angwendet werden (siehe hier Seite 27 https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0501-0600/503-20(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1).

    Es würde mich schon sehr wundern, wenn der neue § 8 Abs. 4 EStG nicht genauso wie vorgesehen kommen wird (vermutlich auch mit Rückwirkung über 2020 hinaus). Hier scheint es eine parteiübergreifende Einigkeit zu geben.

    • Ja Herr Giebel, diese Einigkeit wirkt schon bedrohlich! Interessant ist auch die Begründung des BR warum der Rückwirkung kein Vertrauenschutz entgegensteht. Wenn aber die BFH Entscheidung v August 19 Vertrauensschutz geschaffen haben sollte, dürfte keine Rückwirkung auf VZ 19 (‚in allen offenen Fällen‘) in Betracht kommen, oder ? Es zeigt: Änderungsvorschläge können neue Probleme schaffen statt alte zu lösen.

      MfG
      Prof. Dr. Ralf Jahn

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