Kinderbetreuungskosten: Tatbestandsmerkmal „Haushaltszugehörigkeit“ ist verfassungskonform

§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG regelt den Abzug von Kinderbetreuungskosten. Der Abzug ist an mehrere Voraussetzungen geknüpft. Unter anderem muss das Kind zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehören. In einem aktuellen Revisionsverfahren musste der BFH allerdings klären, ob die Haushaltszugehörigkeit des Kindes überhaupt ein geeignetes Typisierungsmerkmal darstellt und ob die Norm des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG mit Art. 3 und 6 GG vereinbar ist.

Der Bundesfinanzhof hat nun bestätigt, dass es maßgebend auf die Haushaltszugehörigkeit ankommt. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG verstoße jedenfalls dann nicht gegen das Grundgesetz, wenn die Betreuungsaufwendungen desjenigen Elternteils, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, durch den ihm gewährten Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG) abgedeckt werden (BFH-Urteil vom 11.5.2023, III R 9/22).

Der Sachverhalt

Der Kläger ist Vater einer Tochter und lebt seit 2018 von der Kindesmutter dauernd getrennt. Die gemeinsame Tochter hat ihren ausschließlichen Wohnsitz bei der Mutter und gehörte im Veranlagungsjahr 2020 nicht zum Haushalt des Klägers. Die Tochter besuchte im Veranlagungsjahr einen Kindergarten sowie nach ihrer Einschulung den Hort einer Grundschule. Für den Besuch des Kindergartens zahlte die Kindesmutter jährlich 250 Euro und für den Besuch des Schulhorts jährlich 348 Euro. Der Kläger erstattete der Kindesmutter jeweils monatlich den hälftigen Betrag. Er beantragte für 2020 die Berücksichtigung der von ihm tatsächlich geleisteten Aufwendungen in Höhe von 299 Euro als Sonderausgaben. Das Finanzamt lehnte dies ab, da das Kind während des gesamten Veranlagungszeitraums nicht zum Haushalt des Klägers gehörte. Die hiergegen gerichtete Klage und auch die Revision blieben erfolglos.

Die Begründung

Der Gesetzgeber hat das Recht, zur Verwaltungsvereinfachung typisierend auf die Haushaltszugehörigkeit abzustellen. Hierin ist kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG zu sehen. Die Bezugnahme auf die Haushaltszugehörigkeit ist sachlich begründet, da dieses Kriterium den typischen Fall abbildet und zugleich der Verwaltungsvereinfachung dient. Es ist nicht willkürlich, sondern sachgerecht, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Fremdbetreuungsaufwand typischerweise bei dem Elternteil anfällt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat und deshalb das Kind entweder selbst betreuen oder sich um eine Fremdbetreuung kümmern muss. Dem Umstand, dass trotz fehlender Haushaltsaufnahme auch beim anderen Elternteil Betreuungsaufwand in Gestalt der Eigenbetreuung oder der Übernahme von Betreuungskosten entstehen kann, hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich grundsätzlich hinreichender Weise dadurch Rechnung getragen, dass der BEA-Freibetrag auch diesem Elternteil zu gewähren ist.

Im Streitfall ist auch eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG in Gestalt einer Beeinträchtigung des familiären Existenzminimums durch die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht ersichtlich. Denn der dem Kläger gewährte BEA-Freibetrag lag mit (im Streitjahr) 1.320 Euro wesentlich höher als der von ihm für die Kindergarten- und Hortbeiträge entrichtete Betrag von 299 Euro.

Denkanstoß

Der Ausgang des Revisionsverfahren ist wohl für sehr viele Väter und Mütter enttäuschend. Der BFH hätte den Fall meines Erachtens auch guten Gewissens dem BVerfG vorlegen können. Aber wer weiß: Vielleicht geht der Kläger ja den Weg nach Karlsruhe; immerhin ist er selbst Steuerberater.

Beim BFH ist übrigens noch eine weitere Revision zum Thema „Kinderbetreuungskosten“ anhängig. Es geht um die Frage, ob beim so genannten paritätischen Wechselmodell eine mittelbare Kostentragung für den Abzug ausreicht, das heißt, dass der eine Elternteil die Kinderbetreuungskosten zwar überweist, der andere diese aber – mittelbar – über die Weiterleitung des Kindergeldes an den überweisenden Elternteil mitträgt (Vorinstanz: Thüringer FG, Urteil vom 23.11.2021, 3 K 799/18; Revision unter III R 1/22).

Beachten Sie hierzu auch den Blog-Beitrag „Kinderbetreuungskosten: Zwei wichtige Revisionen beim BFH„.


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