Kindergeld: Zwei bittere BFH-Urteile für Eltern mit erkrankten Kindern

Eltern haben grundsätzlich auch dann Anspruch auf Kindergeld und andere kindbedingte Vergünstigungen, wenn ein Kind seine Ausbildung wegen einer Erkrankung unterbrechen muss, weil es aus objektiven Gründen zeitweise nicht in der Lage ist, die Ausbildung fortzusetzen.

Jüngst hat der BFH aber entschieden, dass kein Anspruch auf Kindergeld besteht, wenn ein Kind seine Ausbildung wegen einer Krankheit nicht beginnen kann und das Ende der Erkrankung nicht absehbar ist (BFH 12.11.2020, III R 49/18).

Der Sachverhalt: Der Sohn des Klägers befand sich wegen langjährigen Drogenkonsums in Therapie. Der Sohn hatte die Schule abgebrochen. Im Juli 2017 beantragte der Vater Kindergeld für seinen Sohn, weil dieser einen Ausbildungsplatz gesucht und seine Ausbildungswilligkeit auch bekundet habe. Aus ärztlichen Bescheinigungen ging allerdings hervor, dass das Ende der Erkrankung in den Monaten Juni und Juli 2017 noch nicht absehbar war. Die Familienkasse lehnte daher die Gewährung von Kindergeld für die Zeit bis Mai 2017 ab. Der BFH gab der Familienkasse recht.

Die Begründung des BFH: Bei einem erkrankten Kind kommt eine Berücksichtigung als Kind, das einen Ausbildungsplatz sucht, nur dann in Betracht, wenn das Ende der Erkrankung absehbar ist. Dies sei in dem Zeitraum, für den das Kindergeld streitig war (hier also bis Mai 2017), nicht der Fall gewesen. Dies folge aus den ärztlichen Bescheinigungen. Eine allgemein gehaltene Aussage des Kindes, nach dem Ende der Erkrankung eine Ausbildung aufnehmen zu wollen, reiche nicht aus.

Das Kindergeld für den streitigen Zeitraum sei damit allerdings nicht endgültig verloren. Der BFH verwies die Streitsache an das Finanzgericht zurück, damit dieses prüft, ob der Sohn als behindertes Kind (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG) berücksichtigt werden kann.

In einem weiteren Urteil hat der BFH entschieden, dass der krankheitsbedingte Abbruch eines Freiwilligendienstes zum Verlust des Kindergeldanspruchs führt (BFH 9.9.2020, III R 15/20).

Der Sachverhalt: Die Tochter des Klägers begann nach dem Abitur im September 2017 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Johanniter-Unfall-Hilfe. Die Tochter litt an Bulimie und Anorexie. Im Mai 2018 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand derart, dass sie das FSJ zum Ende des Monats kündigte und sich anschließend praktisch durchgängig bis Dezember 2018 in stationärer Behandlung befand. Ab Januar 2019 war die Tochter wieder im Rahmen eines FSJ in einer Behindertenwerkstatt eines anderen Trägers eingesetzt. Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes ab Juni 2018 auf. Der BFH sieht auch dies als rechtens an.

Begründung: Die Tochter erfüllte nicht die Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes, da sie im Streitzeitraum Juni 2018 bis Dezember 2018 aufgrund ihrer Erkrankung keinen Freiwilligendienst leistete. Der Freiwilligendienst bei der Johanniter-Unfall-Hilfe wurde zum 31.5.2018 gekündigt und damit beendet. Mangels rechtlicher Bindung zu dem Träger (Johanniter-Unfall-Hilfe) liege auch keine möglicherweise unschädliche krankheitsbedingte zeitweise Unterbrechung, sondern eine Beendigung des Freiwilligendienstes vor.

Es liegen damit zwei bittere BFH-Urteile vor, die die Situation für betroffene Eltern und Kinder sicher nicht vereinfachen. In steuerlicher Hinsicht sollte nun geschaut werden, ob wenigstens Unterhaltsleistungen nach § 33a EStG abgezogen werden können.

 

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