Klingt gut, ist aber irreführend: „Schäuble will Bankgeheimnis faktisch abschaffen“ (1/2)

„wiwo.de“ berichtet heute (27.4.2016) mit der Schlagzeile „Schäuble will Bankgeheimnis faktisch abschaffen“ exklusiv zu einem brisanten Thema, das zuletzt durch die sog. „Panama Papers“ wieder in das steuerpolitische Blickfeld rückte. Der geneigte Leser fragt sich: Kann das sein? Gibt es überhaupt ein Bankgeheimnis in Deutschland, das „faktisch abgeschafft“ werden könnte? 

BMF-Diskussionsentwurf für mehr Steuertransparenz

Nach Informationen der „WirtschaftsWoche“ habe das Bundesfinanzministerium in einem Diskussionsentwurf elf Punkte zusammengetragen, um für mehr Steuertransparenz zu sorgen. Hierzu würde insbesondere die Abschaffung des § 30a AO („Schutz von Bankkunden“) sowie erleichterte (Sammel-)Auskunftsersuchen bei Finanzinstituten gehören.

Der Autor des Exklusivbeitrags resümiert: „Der Fiskus könnte dann, ohne dass ein Anfangsverdacht besteht oder bereits Ermittlungen laufen, massenhaft Konten kontrollieren.“

Kommentar von FinMin Walter-Borjans zur „faktischen Abschaffung des Bankgeheimnisses“

Es liegt bereits eine erste Stellungnahme von NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans vor, der aktuell auch Vorsitzender der Finanzministerkonferenz der Länder (FMK) ist. Er merkt an, im Gegensatz zum Steuergeheimnis, das dem Schutz der Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern diene, schütze das Bankgeheimnis gegenüber Ermittlungsbehörden den Betrug.

Über die Abschaffung des nicht existierenden Bankgeheimnisses in Deutschland

Kann das sein? Konkreter gefragt: Gibt es überhaupt ein Bankgeheimnis in Deutschland, das „faktisch abgeschafft“ werden könnte? Klare Antwort: nein.

§ 30a AO ist zwar mit „Schutz von Bankkunden“ überschrieben. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Vorschrift ein „Bankgeheimnis“ statuieren würde, das über die zivilrechtliche Verschwiegenheit des Kreditinstituts hinausgeht. Es gibt in Deutschland kein Bankgeheimnis gegenüber staatlichen Stellen.

Sammelauskunftsersuchen mit Bankenbezug sind ein alter Hut

Beispielsweise ist es der Steuerfahndung nicht untersagt, bei Kreditinstituten zu ermitteln, wenn sich das Verfahren gegen eine Vielzahl unbekannter Steuerpflichtiger richtet (BFH v. 21.3.2002 – VII B 152/01, siehe unten unter „Quellen“). Die Fahndung bewegt sich hier im Aufgabenbereich rein steuerlicher Vorfeldermittlungen im Sinne des § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO. Ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht besteht in solchen Konstellationen gerade (noch) nicht.

In diesem Kontext lohnt ein Blick auf § 30a AO Abs. 5 Satz 1 AO: „Für Auskunftsersuchen an Kreditinstitute gilt § 93.“ § 93 AO befasst sich mit der Auskunftspflicht der am Steuerverfahren Beteiligten und anderen Personen. „Andere Personen“ können zB Internethandels-Plattformen oder Banken sein.

Noch einmal der BFH (s.o.) zum Thema:

„Der Schutz des Bankkunden vor unberechtigten (Sammel-)Auskunftsersuchen ist nur an der Regelung des § 30 a Abs. 2 i. V. m. § 30 a Abs. 5 AO 1977 zu messen. Liegen die Voraussetzungen der §§ 93, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 vor, dürfen die Finanzbehörden Auskünfte – auch Sammelauskünfte – bei den Kreditinstituten einholen. Eine Erweiterung des Bankkundenschutzes durch eine entsprechende Anwendung des § 30 a Abs. 3 AO 1977 ist nicht geboten.“

Fazit

Man darf also gespannt sein, welche Punkte der Diskussionsentwurf des BMF enthält. Eine „faktische Abschaffung“ des Bankgeheimnisses wird jedenfalls nicht darunter sein.

 

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