Lehren aus Wirecard (15): Braucht es eine neue Kultur der Bestätigungsvermerke?

Es stimmt, ich bin keine Wirtschaftsprüferin. Doch gerade auch deswegen beschäftigt mich das Thema Bestätigungsvermerk seit einiger Zeit besonders, denn es werden nahezu fast nie Versagungsvermerke oder eingeschränkte Testate erteilt. In meinen Gesprächen wurde mir gesagt: Aus Angst vor Sorge von Klagen der Aktionäre.

Einschränkung des Testats hat Seltenheitswert

Das ist auf der einen Seite nachvollziehbar. Doch es zeigt sich, dass wir dringend eine Veränderung brauchen. Würden die Aktionäre eher weniger klagen, wenn der Wirtschaftsprüfer auf der Hauptversammlung ein Rederecht hätte? Dann könnte er die Gründe für sein Prüfungsergebnis erläutern und auch Fragen der Aktionäre beantworten.

Im Fall Wirecard hat sich gezeigt, dass alle auf das Testat schauen – und zwar nur: Ist es ein Uneingeschränktes? Der besondere Hinweis zur Hervorhebung der Untersuchungen in Singapur wegen Anschuldigungen eines Whistleblowers bezüglich Bilanzunregelmäßigkeiten hat offenbar kaum jemanden interessiert.

Doch welche Signalwirkung ergibt sich daraus, wenn sich kaum eingeschränkte Testate finden? Gibt es wirklich so selten den Grund, das Testat einzuschränken oder zu versagen? Liegt es an der Sorge um den Auftragsverlust seitens des Abschlussprüfers? Oder dominiert vielmehr die Angst, von Investorenklagen überschüttet zu werden?

Testatsverweigerung hat Wirecard-Party beendet

Stimmt, viele Fragen, die ich nicht beantworten kann. Ich habe mir sie in den letzten Monaten immer wieder gestellt. Doch schauen alle – Banken, Investoren etc. – darauf, ob ein Unternehmen ein Testat vom Wirtschaftsprüfer erhält? Im Falle von Wirecard wurde auch deutlich, dass beispielsweise bei der Kreditvergabe das uneingeschränkte Testat trotz der zahlreichen Presseberichte für Kredite in dreistelliger Millionen-Höhe ausgereicht hatten.

Doch hat sich auch hier denn niemand die Frage gestellt, wofür Wirecard diese Beträge benötigt? Denn laut der testierten Bilanzen schwamm der Zahlungsdienstleister nur so in Liquidität. Zumindest wenn die Guthaben auf den angeblich existierenden Treuhandkonten dazugezählt werden. Doch dazu findet der Leser des Geschäftsberichtes keine Informationen. Denn das Wörtchen Treuhandkonto bzw. Escrow-Accounts sucht man im Geschäftsbericht 2018 vergeblich.

Hätte Wirecard in diesem Jahr wieder ein uneingeschränktes Testat erhalten– die Party wäre noch eine Weile weitergegangen. Auch wenn Wirecard jede Woche mehrere Millionen Euro verbrannt hat, kann man mit neu aufgenommenen Krediten in dreistelliger Millionen-Höhe so einige Zeit über die Runden kommen.

Im Falle eines uneingeschränkten Testates sollten Banken ebenfalls genauer hinschauen – gerade, wenn dreistellige Millionenbeträge an Krediten gewährt werden und der Kunde in Liquidität schwimmt. Und zwar nicht nur in einem kleinen Planschbecken, sondern einem großen Pool.

 

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