Lieber ein Einspruch zu viel als zu wenig

In meinem Blog-Beitrag „Kosten für das Erststudium und der Dschungel Verfahrensrecht“ hatte ich darauf hingewiesen, im Interesse des größtmöglichen Rechtsschutzes gegen alle zugrundeliegenden Bescheide Rechtsmittel einlegen und Einsprüche nicht zurückziehen. Diese Empfehlung gilt nicht nur die Fälle des Abzugs von Kosten eines Erststudiums, sondern zum Beispiel auch bei Zinsfestsetzungen. Dies beweist – leider – eine Entscheidung des FG Hamburg vom 18.7.2019 (2 V 108/19).

Im zugrundeliegenden (hier vereinfacht dargestellten) Sachverhalt sind auf der Grundlage der Feststellungen eines Steuerfahndungsberichts geänderte Bescheide ergangen, die die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag betrafen. Damit „äußerlich verbunden“ sind zudem Nachzahlungszinsen festgesetzt worden. Die Steuerpflichtigen legten Einspruch ein, und zwar gegen „die Änderungsbescheide für die Jahre 2007, 2009, 2010 und 2011 vom 30. November 2016“. Zur Begründung wurde auf einen weiteren Schriftsatz und eine Stellungnahme der Verteidiger verwiesen, die das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren betraf. Gegen die Festsetzung der Zinsen wurde jedenfalls kein expliziter Einspruch eingelegt. Erst einige Monate später wurde der Einspruch um die Frage der Zinsen „erweitert“.

Doch das Finanzamt verwarf den Einspruch gegen die Zinsen wegen Verfristung als unzulässig. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Begründung: Die Zulässigkeit eines Einspruchs setze zwar keine konkrete und genaue Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts voraus. Es sei jedoch erforderlich, dass sich die Zielrichtung des Begehrens in der Weise ergibt, dass sich der angefochtene Verwaltungsakt entweder aus dem Inhalt der Rechtsbehelfsschrift selbst ermitteln lässt oder dass Zweifel oder Unklarheiten am Gewollten durch Rückfragen beseitigt werden können. Fehle es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des tatsächlich Gewollten, ist der wirkliche Wille des Steuerpflichtigen durch Auslegung seiner Erklärungen zu ermitteln. Dabei sei grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen.

Im Streitfall ergäbe sich der Inhalt des Begehrens aus der Einspruchsschrift. Diese richte sich gegen die Änderungsbescheide infolge der Auswertung des Steuerfahndungsberichtes (hier: zu den nicht erklärten sonstigen Einkünften). Eine weitergehende Auslegung dieses Einspruchs auch als Rechtsbehelf gegen die Zinsbescheide dürfe nicht in Betracht kommen. Zwar war die Festsetzung der Zinsen mit der Steuerfestsetzung verbunden; diese (nur) äußerliche Verbindung ändere aber nichts daran, dass Zinsfestsetzung und Steuerfestsetzung eigenständige Bescheide bleiben.

Fazit:
a) Das Einspruchsbegehren ist genau zu benennen.
b) Lieber sollte ein Einspruch zu viel als zu wenig eingelegt werden.

Weitere Informationen:

Finanzgericht Hamburg v. 18.07.2019 – 2 V 108/19

 

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