Lohnsteuer-Haftung: Führt die eigene Lohnsteuer zu Werbungskosten?

In der Krise eines Unternehmens begehen Inhaber und Geschäftsführer oft fatale steuerlichen Fehler, die später zu einer persönlichen Haftung führen. Das betrifft insbesondere die – nicht abgeführte – Lohnsteuer. Der Hinweis, dass doch eigentlich die Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer sind, hilft nicht weiter, denn der Arbeitgeber haftet für die Steuer nach § 42d EStG. Auch die Geschäftsführer einer GmbH haften bei pflichtwidrigem Handeln persönlich, da sie die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft erfüllen müssen.

Darf ein GmbH-Geschäftsführer die Steuer, für die er haftet, wenigstens als Werbungskosten in seiner persönlichen Einkommensteuererklärung geltend machen?

Zunächst gilt: Grundsätzlich darf ein Geschäftsführer die Lohnsteuer bei Zahlung der Haftungsschuld als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehen, sofern die Lohnsteuer auf die – anderen – Arbeitnehmer entfällt (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2.7.2013, 4 K 1508/09). Bislang noch nicht abschließend entschieden ist aber, ob er auch die Lohnsteuer, die auf ihn selbst entfällt, als Werbungskosten abziehen darf.

Jüngst hat das Hessische FG entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH die ihn selbst betreffende Lohnsteuer als Werbungskosten abziehen darf, wenn er dafür in Haftung genommen wird (Urteil vom 19.11.2019, 6 K 360/18).

Der Sachverhalt:

Die Klägerin war Mitgesellschafterin und Mitgeschäftsführerin einer GmbH, die ein Restaurant betrieb. In 2014 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. In 2016 wurde die Klägerin für nicht abgeführte Lohnsteuern einschließlich Nebenleistungen in Höhe von rund 20.0000 EUR in Haftung genommen. Tatsächlich beglich die ehemalige Geschäftsführerin den Großteil dieser Schulden privat. Vor dem Finanzgericht ging es um die Frage, ob der Teil der nachentrichteten Lohnsteuer, der auf die Geschäftsführerin selbst entfiel, als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen ist. Die Finanzrichter haben den Abzug zugelassen.

Begründung:

Steuern vom Einkommen sind nach § 12 Nr. 3 EStG zwar eigentlich nicht abzugsfähig. Dies betreffe aber nur eigene Steuerschulden des Steuerpflichtigen. Dahingegen handele es sich bei der Lohnsteuer, welche nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber an das Finanzamt abzuführen hat, um eine fremde Schuld. Da Arbeitgeber die GmbH war, sei die Lohnsteuer, auch die eigene in ihrer Funktion als Geschäftsführerin, für die Klägerin eine „fremde Schuld“ in diesem Sinne.

Hinweis:                

Gegen das Urteil liegt die Revision unter dem Az. VI R 19/20 vor. Bislang gibt es keine höchstrichterliche Rechtsprechung und die Fachliteratur ist uneins, ob die „eigene“ Lohnsteuer steuerlich abgezogen werden darf. Betroffene sollten sich jedenfalls bis auf Weiteres auf das hier vorgestellte Urteil berufen und ein Ruhen ihres eigenen Verfahrens beantragen.

Im Übrigen gilt: In der Krise sollten Unternehmer und Geschäftsführer unbedingt frühzeitig das Gespräch mit dem Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern suchen, sich hinsichtlich der Pflichten informieren und insbesondere § 38 Abs. 4 EStG genau studieren.

Doch zugegeben: Allzu oft verhallt dieser Rat ungehört.

Weitere Informationen:
Hessisches Finanzgericht, Urteil v. 19.11.2019 – 6 K 360/18 (Rev. BFH Az. VI R 19/20)

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