Maximierung der Expectation Gap? Beurteilung des Vorschlags eines IDW-Wertekodex (Teil 2)

In den letzten beiden Blog-Beiträgen hatte ich einen Überblick zum Vorschlag des IDW für einen Wertekodex gegeben und begonnen, die Anforderungen des Kodex kritisch zu beleuchten. Die kritische Hinterfragung will ich in diesem Teil weiterführen und mich mit der Frage auseinandersetzen, was überhaupt anzustrebende ethische Ziele, Grundsätze und Handlungsweisen sein können. Wie schon im letzten Blog angemerkt, handelt es sich um eine erste und exemplarische Annäherung an die komplexe Problematik.

Was sind überhaupt anzustrebende ethische Ziele, Grundsätze und Handlungsweisen?

Wie vielleicht schon im Blog mit der Darstellung der Inhalte des IDW-Wertekodex angeklungen ist, finden sich hier plakative Schlagworte, die vermeintlich positiv besetzt sind. Ist das aber wirklich so?

Ohne Philosoph zu sein oder auch nur so daherreden zu wollen, ist es doch meine feste Überzeugung, dass Werte letztlich nur im Rahmen eines gesellschaftlichen Konsenses festzulegen sind, wobei jedoch grundrechtliche Vorgaben zwingend zu beachten sind. Das zeigt sich auch schon durch Verschiebung von Werten im Zeitablauf.  Absolute, quasi naturgesetzliche Werte gibt es nicht. Und zudem kommt es auch schnell einmal zu Wertungswidersprüchen.

„Gendersprache“ zur Vermeidung der Diskriminierung?

Nehmen wir beispielhaft einmal die im Kodex erwähnte Vermeidung der Diskriminierung, die mit Vielfalt von Alter, ethnischen Herkünften und Nationalitäten, Geschlechteridentitäten, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Religionszugehörigkeiten und Weltanschauungen, sexuellen Orientierungen, kulturellen Identitäten sowie sozialen Herkünften verbunden wird. Sprachlich bemüht sich der Kodex um eine vermeintlich gerechte und diskriminierungsfreie Sprache, in dem sogenanntes „Gendern“ Einführung findet, wie es in der IDW Vereinszeitschrift „Life“ schon seit ca. Mitte 2021 feststellbar ist. Auf den ersten Blick für einfache Gemüter klar eine gute Sache im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter, wobei zu klären wäre, ob biologisches Geschlecht oder gefühltes Geschlecht gemeint ist. Das Problem liegt aber woanders!!!

„Gendersprache“ als diskriminierende Sprache?

  1. Die Verwendung von z.B. „*“ oder „:“ erschwert den Zugang für Sehbehinderte und Blinde, weswegen solche Schreibweisen mit guten Gründen vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband kritisiert werden. Die Einschränkung im Hinblick auf die Barrierefreiheit ordne ich als Diskriminierung ein.
  2. Die unter 1. genannte „Genderschreibweise“ schränkt nach zutreffender Auffassung des deutschen Rechtschreibrates den Zugang für Sprachausländer ein. Mithin sind ihr fremdenfeindliche Aspekte und Diskriminierung immanent.
  3. Die „Genderschreibweise“ findet in der Praxis vielfach dergestalt Anwendung, dass männliche Formen sprachlich eliminiert werden, nur als Beispiele die Worte „Kolleg*innen“ oder im Kodex im sprachlichen Kontext verwendet „Vertreter*innen“. Der Plural hat ohnehin grammatikalisch das weibliche Geschlecht. Durch das Anhängen von „innen“ wird die Reichweite der Formulierung dann allein auf Frauen reduziert. Etwa die männlichen „Kollegen“ tauchen im Wort nicht mehr auf. Das führt dann zur Tilgung des Männlichen aus der Sprache. Wie verträgt sich das mit der postulierten Geschlechtergerechtigkeit? Dabei wird zudem – und hier greife ich auf meine eigene Erfahrungswelt aus der Gruppe der Migranten und ihrer Nachkommen zurück – die kulturelle Identität von zumindest Teilen der nicht zu den Herkunftsdeutschen zählenden Menschengruppe beschädigt, denen ihr „Mannsein“ wichtig ist: Also nach den Worten des Kodex wohl auch wieder Diskriminierung!
  4. Schließlich zeigen die gehäuften verfassungsrechtlich fragwürdigen Geschehnisse im Zusammenhang mit sogenanntem „Genderaktivismus“ eine bedenkliche Entwicklung. Hierzu sei etwa auf die massive Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit verwiesen, wie sie vom Netzwerk Wissenschaftsfreiheit beispielhaft dokumentiert wird. Durch Verwendung der „Gendersprache“ läuft man Gefahr sich hier auf die ethisch „falsche Seite“ zu stellen.

Es gibt nicht „die“ ethischen Werte

Wie sich an diesem vermeintlich klaren und einfachen Fall zeigt, ist es mit der Ethik und den Werten, d.h. mit dem Verfolgen guter Absichten doch nicht immer so ganz eindeutig und klar. Sicher wollen wir alle Diskriminierung vermeiden. Nur ist es nicht so ganz einfach und schnell kann man bei der (vermeintlichen) Vermeidung der Diskriminierung noch viel schlimmer diskriminieren. Man könnte natürlich versuchen über additive Formulierungen sämtliche Geschlechter aufzuzählen, wobei sich dabei wieder die Frage stellt, welche Geschlechter denn nun Erwähnung finden sollen. Nur wird dadurch der sprachliche Zugang auch nicht erleichtert.

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