Mietanpassung bei bloß mittelbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie?

Das OLG Frankfurt/M hat in einem aktuellen Urteil (18.2.2022 – 2 U 138/21) zur Frage Stellung genommen, ob eine Anpassung eines Gewerbemietvertrages auch dann in Betracht kommt, wenn eine behördliche Corona-Anordnung nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar zu einem Umsatzrückgang führt. Was bedeutet das Urteil für die Praxis?

Hintergrund

Behördlich angeordnete, coronabedingte Nutzungseinschränkungen können auch Gewerbemietverhältnisse empfindlich stören, weil sie zu empfindlichen Umsatzeinbußen führen, während die Kosten weiterlaufen. Vor kurzem hat der BGH (12.1.2022 – XII ZR 8/21) eine Grundsatzentscheidung zur Frage getroffen, ob und mit welchen Maßgaben ein Gewerbemieter einen Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages bzw. Reduzierung des Mietzinses für die Dauer eines behördlich angeordneten Corona-Lockdowns hat (vgl. Jahn, NWB 2022, 255). Jetzt hatte das OLG Frankfurt/M. in einem aktuellen Urteil (zu entscheiden, ob das auch bei bloß mittelbaren Auswirkungen gilt.

Der Sachverhalt

Die Beklagte mietete vom Kläger Gewerbeflächen für einen Reinigungsbetrieb in Frankfurt/M.  Weil im Zusammenhang mit den behördlichen Anordnungen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus viele berufliche und private Veranstaltungen entfielen, ließen etliche Kunden weniger Kleidung bei der Beklagten reinigen. Dies führte ab März 2020 zu einem deutlichen Umsatzeinbruch. In der Zeit von April bis Juli 2020 zahlte die Beklagte deshalb keine Miete. Der Kläger verlangte jetzt die ausstehenden Mieten auf gerichtlichem Wege. Das LG gab der Klage in erster Instanz statt.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt/M

Das OLG Frankfurt/M hat im Wesentlichen Folgendes entschieden:

  • Die Beklagte konnte ihren Reinigungsbetrieb auch während behördlicher, coronabedingter Einschränkungen geöffnet halten, war also nicht „unmittelbar“ von einer staatlichen Schließungsanordnung betroffen wie dies etwa bei Clubs oder Diskotheken der Fall war. Auch bei bloß „mittelbarer“ Betroffenheit hält das OLG Frankfurt aber prinzipiell für möglich, dass eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) in Betracht kommt.
  • Die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages ist durch die Folgen der Pandemie nach Ansicht des Gerichts schwerwiegend gestört worden, weil sich die behördlichen Anordnungen auch Geschäftsbetrieb der Beklagten ausgewirkt haben, obwohl sie nicht unmittelbar der Adressat der Anordnungen war. Hätten die Parteien eine solche Pandemie vorausgesehen, hätten sie voraussichtlich eine zeitweise Herabsetzung der Miete oder jedenfalls ihre zeitweise Stundung vereinbart.
  • Die Beklagte konnte aber im Streitfall nicht darlegen, dass ihr das Festhalten an dem Mietvertrag unzumutbar gewesen ist. Es fehlte ein Sachvortrag zu berücksichtigungsfähigen Umständen, etwa der Kostenstruktur des Geschäftsbetriebs und ihrer Entwicklung unter Berücksichtigung von Personalkosten, der allgemeinen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten sowie der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe staatliche Corona-Hilfeleistungen beantragt und bewilligt wurden oder ein Anspruch auf sie bestanden hätte.

Worauf sollte in „Corona-gestörten“ Gewerbemietverhältnissen besonders geachtet werden?

  • Zunächst ist zu bedenken, dass im Gerichtsprozess diejenige Partei die Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, die ihr ein Festhalten am ursprünglichen Vertrag unzumutbar macht. Aus dieser Darlegungs- und Beweislast ergibt sich bereits ein erhebliches Prozessrisiko, das gut kalkuliert sein will.
  • Nach der BGH-Entscheidung vom 12.1.2022 (XII ZR 8/21) kommt in einem Gewerbemietverhältnis, das von ein behördlichen Schließungsanordnung „unmittelbar“ betroffen ist, weder ein Wegfall der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs.1 BGB) noch eine Mietminderung wegen Mietmangels (§ 536 BGB) in Betracht. Denkbar ist aber ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, wobei der Mieter die Umstände darzulegen und zu beweisen hat, die für ihn ein Festhalten am ursprünglichen Vertrag unzumutbar macht. Eine pauschale hälftige Reduzierung des Mietzinses kommt nach Ansicht des BGH aber nicht in Betracht, weil immer sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, etwa die konkrete Belastung mit Sach- und Personalkosten, die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld oder Corona-Finanzhilfen sowie das Vorhandensein einer Betriebsschließungsversicherung, die etwaige Risiken abdeckt (siehe dazu BGH – IV ZR 144/21).
  • Nach der jetzigen Entscheidung des OLG Frankfurt gelten schließlich die Vertragsanpassungsgrundsätze wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) im Gewerbemietverhältnis grundsätzlich auch dann, wenn eine behördliche Anordnung zwar nicht unmittelbar die Schließung eines Geschäftslokals zur Folge hat, die behördliche Entscheidung aber „mittelbar“ zu Umsatzeinbußen führt. Gerade in solchen Fällen sind die Darlegungs- und Beweisanforderungen an den Mieter, der eine Vertragsanpassung fordert, aber besonders hoch.  Er muss zunächst die Ursächlichkeit einer behördlichen, coronabedingten Entscheidung für einen Umsatz- und Gewinneinbruch darlegen, ferner, dass es ihm unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände unzumutbar ist, am ursprünglichen Vertrag festzuhalten. Hierbei kann für die Monate Januar und Februar 2022 auch zu berücksichtigen sein, dass im Rahmen der Überbrückungshilfe IV auch bei freiwilliger Betriebsschließung eine Corona-Finanzhilfe in Betracht kommen kann, wenn die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs nachweisbar unwirtschaftlich ist; auch dieser Umstand kann dann eine Vertragsanpassung ausschließen.

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