Neue Verlustverrechnungsmöglichkeiten des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes – der große Wurf?

Mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz wurden die Möglichkeiten der Verlustverrechnung neu ausgelotet. Den Steuerpflichtigen stehen daher – zumindest zeitlich befristet – fortan weitere Optionen bereit, um zusätzliche Liquidität zu generieren und zu sichern. Ist damit dem Gesetzgeber der „große Wurf“ gelungen?

Steuerliche Verlustverrechnung in Corona-Zeiten

Mit Elan hat der Gesetzgeber das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz (vgl. BGBl 2020 I S. 1512 ff.) verabschiedet und mit ihm zahlreiche steuerliche Vorschriften modifiziert oder gar neu eingeführt. Vor allem die Verlustverrechnung, welche für eine große Anzahl an Steuerpflichtigen derzeit entscheidende Bedeutung hat, ist der Gesetzgeber angegangen. Zum einen wurden die Sockelbeträge für den steuerlichen Verlustrücktrag verfünffacht: Für die Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 können Verluste damit bis zu einem Betrag von 5 Mio. Euro /bzw. 10 Mio. Euro bei Zusammenveranlagung in den unmittelbar vorherigen Zeitraum zurückgetragen werden. Steuerpflichtige, die im vorangegangen unmittelbaren Zeitraum entsprechende Einkünfte erzielt haben, dürfen sich daher über diese Sockelbetragsanhebung besonders freuen. Zum anderen wurde ein neuer Abschnitt XIV in das Einkommensteuergesetz eingeführt. Hier kodifizierte der Gesetzgeber unter der Überschrift „Sondervorschriften zur Bewältigung der Corona-Pandemie “ zwei neue Vorschriften.

Neue §§ 110, 111 EStG

Die neuen §§ 110, 111 EStG, welche zeitlich befristet gelten, ersetzen das BMF-Schreiben v. 24.04.2020 (BMF v. 24.04.2020, IV C 8 – S 2225/20/10003 :010, BStBl 2020 I S. 496, dazu bereits ausführlich Wengerofsky, StuB 2020, S. 450 ff., Link s.u.), durch dessen Anweisungen die Erstattung bereits geleisteter Vorauszahlungen für das Jahr 2019 mithilfe eines pauschalierten Verlustrücktrags (i.H.v. 15 Prozent) erwirkt werden konnte.

Die neuen gesetzlichen Regelungen sehen dabei zwei Maßnahmen vor: § 110 EStG („Anpassung von Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019“) sieht die Berücksichtigung eines pauschalierten Verlustrücktrags aus 2020 für Zwecke der Vorauszahlungen in 2019 vor. Die neue Verrechnungsoption geht betragsmäßig über jene Vorgaben des BMF-Schreibens hinaus und eröffnet eine pauschale Minderung i.H.v. 30 Prozent der entsprechenden Berechnungsgrundlage. § 111 EStG („Vorläufiger Verlustrücktrag für 2020“) regelt als zweite Möglichkeit, dass bei der Steuerfestsetzung für den VZ 2019 ein pauschaler Betrag i.H.v. 30 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte des VZ 2019 als vorläufiger Verlustrücktrag aus 2020 Berücksichtigung erfahren kann. Beide Regelungen stellen Antragswahlrechte dar. Neben den Pauschalierungen ist es möglich, durch entsprechende Nachweise seitens des Steuerpflichtigen einen Antrag auf die Berücksichtigung individuell höherer Beträge zu stellen. Für die einzelnen Voraussetzungen der jeweiligen Antragswahlrechte vgl. im Detail Wengerofsky, StuB 16/2020 (erscheint noch).

Deutliche Verbesserungen beim Rücktrag, aber was ist mit dem Verlustvortrag?

Die vom Gesetzgeber durchgeführten Modifizierungen und zeitlich befristet geltenden Neuerungen bei der steuerlichen Verlustverrechnung sind begrüßenswert und bieten für viele Unternehmen eine zusätzliche Hilfe zur Schonung der Liquidität und sichern entsprechend deren Fortbestand mit. Die deutliche Anhebung der Höchstbeträge beim Verlustrücktrag sichert, dass größere Volumina zurückgetragen werden können, soweit entsprechendes positives Verrechnungspotential in der vorherigen Periode generiert wurde.

Der Gesetzgeber hat hier deutlich nachgebessert, was sehr positiv eingeordnet werden sollte. Durch die eingefügten §§ 110; 111 EStG wird darüber hinaus sichergestellt, dass eine pauschalierte – oder individuell nachgewiesen höhere – Minderung bei den Vorauszahlungen für 2019 möglich ist und ein vorläufiger voraussichtlicher Verlustrücktrag Berücksichtigung erfährt. Beide Optionen sind durch die Gesetzeskodifizierung nunmehr in besserem Ausmaß als noch im BMF-Schreiben vom 24.04.2020 vorgegeben zugänglich.

Kritisch zu sehen ist, dass beim Rücktrag nicht an der zeitlichen Stellschraube gedreht wurde. Es bleibt bei einem Rücktrag ausschließlich in den unmittelbar vorherigen Veranlagungszeitraum. Unangetastet bleibt ferner der Verlustvortrag. Da dieser m.E. eine größere Bedeutung für die Verrechnung von Corona-Verlusten erlangen wird als die Rücktragsoption, ist dessen fehlende Modifizierung bedauernswert. Die Mindestbesteuerung, welche mit ihm einhergeht, wird für viele Corona-Geschädigte eine Hürde darstellen.

Umfassende Reform der Verlustverrechnung

Der Gesetzgeber konnte mit den Verbesserungen bei der Verlustverrechnung bereits erste gute Schritte gehen, welche vielen Steuerpflichtigen eine zusätzliche Stütze bieten werden. Die Befristung der Maßnahmen, wie derzeitig im Gesetzestext kodifiziert, sollte von dem weiteren Geschehen rund um die Corona-Krise abhängig gemacht werden. Anpassungen dürften ggf. folgen. Darüber hinaus ist zu eruieren, inwiefern eine allumfassende Weiterentwicklung und Neuakzentuierung der steuerlichen Verlustverrechnung angegangen werden kann. Insbesondere die Vorgaben zum Verlustvortrag sollten dabei in die Überarbeitungsprozesse Einzug erhalten.

Lesen Sie hierzu auch:

Wengerofsky, Pauschalierter Verlustrücktrag zur Liquiditätssicherung in Zeiten von Corona – Anwendungs- und Praxisfragen zum BMF-Schreiben vom 24.4.2020, StuB 12/2020 S. 450

In Kürze erscheint zu den neuen Verlustverrechnungsmöglichkeiten noch ein weiterer Beitrag – geplant für StuB 16/2020

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