Neues Reisekostenrecht – Was ist bei doppelter Haushaltsführung zu beachten?

Seit der Neuordnung des Reisekostenrechts ab VZ 2014 gelten neue Spielregeln für die Anerkennung doppelter Haushaltsführung. Das FG Niedersachen (vom 18.9.2019 – 9 K 209/18) hat jetzt zum Vorliegen eines eigenen Hausstandes und der neuen Voraussetzung einer „finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“ im Sinne des Steuerzahlers entschieden. Allerdings muss jetzt der BFH abschließend entscheiden. Was ist zu beachten?

Hintergrund

Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes aus 2018 sind immerhin mehr als 25 v.H. aller Haushalte in Deutschland sog. Mehrpersonenhaushalte mit zwei Generationen. Betroffenen Arbeitnehmern, die wirtschaftlich selbständig sind, entstehen hierbei mitunter erhebliche Werbungskosten durch doppelte Haushaltsführung. Aber unter welchen Voraussetzungen sind diese Kosten steuerlich abzugsfähig? Das FG-Urteil hat deshalb für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle Signalwirkung.

Worum ging es im Streitfall?

Der Kläger bewohnte im Streitjahr in seinem Elternhaus zusammen mit seinem Bruder eine nicht abgeschlossene Obergeschosswohnung. Die Eltern lebten im Erdgeschoss, mit ihnen hatte er keinen Mietvertrag geschlossen. Daneben unterhielt der Kläger am Arbeitsort eine gemietete Zweitwohnung. Der Kläger beteiligte sich zwar nicht an den laufenden Haus- und Nebenkosten im Elternhaus, überwies jedoch im Dezember des Streitjahres einen Betrag von 1.200 € (mtl. Kostenbeteiligung für Januar bis Dezember von je 100 €) sowie einen weiteren Betrag von 550 € (Beteiligung an der Fenstererneuerung). Zudem konnte er nachweisen, dass er Ausgaben für Lebensmitteleinkäufe am Ort des Haupthausstandes in Höhe von mehr als 1.400 € geleistet hatte. Das FA lehnte den Abzug der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltführung dennoch ab, weil eine erforderliche Beteiligung an den laufenden Haus- und Wohnungskosten nicht rückwirkend herbeigeführt werden könne, die Einmalleistungen seien keine „Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“. Dem hat jetzt das FG Niedersachsen widersprochen.

Rechtsprechung versus BMF

Das FG Niedersachsen hat erstmals zum neu eingefügten Satz 3 in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG Stellung genommen, wonach das für den Werbungskostenabzug wegen doppelter Haushaltsführung das Vorliegen eines eigenen Hausstandes im Sinne des „Innehabens einer Wohnung“ und die „Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“ des Haupthaushaltes erfordert. Diese, seit VZ 2014, geltende Verschärfung im Reisekostenrecht war eine Reaktion des Gesetzgebers auf die großzügigere, bürgerfreundliche Sichtweise des BFH. Nach der Gesetzesbegründung richtet sich die Neuregelung ausdrücklich gegen die steuerliche Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung in Fällen, in denen ledige Arbeitnehmer außerhalb des Ortes ihrer ersten Tätigkeitsstätte – ggf. zusammen mit anderen  Geschwistern – eine unentgeltlich überlassene Wohnung oder ein Zimmer im Haus der Eltern bewohnen (sog. Mehrgenerationenhaushalte).

Dem ist das FG Niedersachsen jetzt entgegengetreten. Seiner Ansicht – und entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – gilt:

  • Für das „Innehaben einer Wohnung“ gilt wie nach dem vor VZ 2014 geltenden Recht, dass der Arbeitnehmer die Wohnung aus eigenem Recht nutzt (etwa Eigentum, Miete, sonstige Nutzungsgestattung). Entgeltliche, fremdübliche Nutzungsverhältnisse werden nicht gefordert. Damit widerspricht das FG der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/10774, S. 13, 1), wonach nicht ausreichend sein soll, wenn Wohnung oder Zimmer im Haushalt der Eltern unentgeltlich überlassen werden; ausreichend sind also auch abgeleitete Nutzungsbefugnisse.
  • Eine “regelmäßige Beteiligung“ an den laufenden Wohnungs- und Verbrauchskosten ist weder nach Gesetzeswortlaut noch nach der Gesetzesbegründung zwingend: Damit widerspricht das FG dem BMF (BMF-Schreiben vom 30.09.2013, IV C 5 – S 2353/13/10004 Rz. 94; ebenso vom 24.10.2014, IV C 5 – S 2353/14/10002, Rz. 100d). Die Beteiligung an den Lebenshaltungskosten kann auch durch Einmalzahlungen erfolgen, zwar auch nach Ende des Veranlagungszeitraums (wie z.B. im Rahmen der Nachzahlung von Nebenkosten); auf den Zahlungszeitpunkt kommt es deshalb nicht an, Zahlungen können auch rückwirkend am Jahresende gezahlt werden. Erbrachte ideelle Dienstleistungen (wie Hausarbeiten, Renovierungsarbeiten erfüllen allerdings das Merkmal der „finanziellen“ Beteiligung nicht.
  • Eine Beteiligung oberhalb einer Geringfügigkeitsgrenze von 10 v.H. ist nach Ansicht des FG eine ausreichende Beteiligung an den haushaltsbezogenen Lebensführungskosten. Es besteht eine Regelvermutung bei selbständigen und wirtschaftlich unabhängigen Arbeitnehmern, dass sie die Haushaltsführung wesentlich mitprägen. In einem solchen Fall sind die Aufwendungen für die wöchentlichen Familienheimfahrten sowie die Mietaufwendungen der Zweitwohnung als Kosten einer doppelten Haushaltsführung anzuerkennen, wenn sich der Arbeitnehmer an den haushaltsbezogenen Lebensführungskosten dieses Haupthaushaltes mehr als nur unwesentlich beteiligt.
  • Lebensführungskosten sind haushaltsbezogene Kosten der privaten Lebensführung. Hierzu zählen: Miet- und Hauskosten, Verbrauchs- und sonstige Nebenkosten, Aufwendungen für die Anschaffung und Reparatur von Haushaltsgeräten und Haushaltsgegenständen, Kosten für Lebensmittel und Telekommunikation). Mangels Haushaltsbezugs zählen Kosten für Urlaub, Pkw, Freizeitgestaltung, Gesundheitsförderung sowie Kleidung etc. aber nicht dazu.

Revision beim BFH

Inzwischen ist allerdings Revision beim BFH eingelegt (BFH VI R 39/19). Dieser muss jetzt folgenden Fragen nachgehen: Wie sind die Tatbestandsmerkmale „finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“ der gesetzlichen Neuregelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG auszulegen, insbesondere in welcher Weise (Einmalzahlungen?) und in welcher Höhe (10 %-Grenze?) muss sich der Steuerpflichtige an den Kosten der Lebensführung am Hauptwohnsitz beteiligen?

Vieles spricht nach der bisherigen BFH-Rechtsprechungslinie aber dafür, dass der BFH auch diesmal die Regelungen bürgerfreundlich auslegt und die Korrekturen des Gesetzgebers seinerseits im Wege der Auslegung abermals korrigiert. Aber warten wir mal ab…

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