Nochmals: „Zusätzlichkeitsvoraussetzung“ beim Arbeitslohn – Grundrenten-Gesetzentwurf übernimmt Verwaltungauffassung

Im Referentenentwurf eines „Grundrentengesetzes“ (GruReG) plant das federführende BMAS in § 8 Abs. 4 EStG eine gesetzliche Definition des Kriteriums „zusätzlich geschuldeter Arbeitslohn“ im Sinne der Verwaltungsauffassung. Dies schränkt die Steuerfreiheit oder Pauschalversteuerung von Sachzuwendungen des Arbeitgebers in Zukunft erheblich ein.

Hintergrund

Lohnformwechsel des Arbeitgebers durch Sachzuwendungen an Arbeitnehmer statt (voll steuerpflichtiger) Arbeitslohn sind heutzutage weit verbreitet. Für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer ist das lohnsteuerlich interessant, wenn derartige Leistungen lohnsteuerfrei oder jedenfalls pauschalversteuert erbracht werden können. Allerdings herrscht seit einiger Zeit ein heftiger Streit zwischen Finanzverwaltung auf der einen Seite, Arbeitgebern/Arbeitnehmern sowie Finanzgerichten auf der anderen Seite, welchen Anforderungen für das Merkmal „zusätzlich zum Arbeitslohn“ gelten, damit die Steuerbegünstigung greift – ich hatte bereits berichtet. Jetzt will der Gesetzgeber die Streitfrage im Sinne der Finanzverwaltung restriktiv regeln.

Welche Zusatzleistungen sind betroffen?

Das Kriterium „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ ist in vielen Regelungen des EStG Voraussetzung für die Steuerfreiheit oder Pauschalversteuerung von Sachzuwendungen von Arbeitgebern an Arbeitnehmer. Die sind insbesondere:

  • Steuerfreier Kinderbetreuungszuschuss nach § 3 Nr. 33 EStG.
  • Steuerfreie Überlassung von Fahrtberechtigungen (Jobtickets) nach § 3 Nr. 15 EStG.
  • Steuerfreie Überlassung von Fahrrädern an Mitarbeiter nach § 3 Nr. 37 EStG
  • Steuerfreie Überlassung von Gutscheinen im Rahmen der 44 Euro-Freigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG (seit 2020).
  • Steuerfreie Gesundheitsförderung nach § 3 Nr. 34 EStG.
  • Steuerfreie Übernahme von Betreuungsdienstleistungen und Beratungen nach § 3 Nr. 34a EStG.
  • Pauschalversteuerter Fahrtkostenzuschuss für PKW nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b EStG.
  • Pauschalversteuerter Internetzuschuss nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG.
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Datenverarbeitungsgeräten nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG.
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Fahrrädern nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG.
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Stromladestationen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG.

Was ist genau geplant?

Mit der vorgesehenen gesetzlichen Neuregelung in § 8 Abs. 4 EStG in der Fassung des GruReG-E soll die bestehende Verwaltungsauffassung (R 3.33 Abs. 5 LStR) zur „Zusätzlichkeitsvoraussetzung“ für das Kriterium „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gesetzlich festgeschrieben werden. Bislang hatte die Finanzverwaltung diese Voraussetzung nur in den LStR definiert: Danach war das Kriterium nicht erfüllt, wenn auf einen bestehenden Anspruch von Arbeitslohn verzichtet wurde.

Diese Verwaltungsansicht bindet aber nur die Finanzämter, nicht hingegen den Steuerbürger und auch nicht die Finanzgerichte. Der BFH hatte mit einem Paukenschlag  (Urteile vom 1.8.2018 – VI R 32/18 u.a.) eine differenziertere Sichtweise eingenommen und dabei den Begriff des arbeitsvertraglich vereinbarten „Lohnformenwechsels“ verwendet: „Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den ohnehin geschuldeten Arbeitslohn für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen“. Nach BFH-Sicht kann der Arbeitgeber nicht einseitig einen „Lohnformenwechsel“ herbeiführen. Außerdem können Arbeitgeber und Arbeitnehmer anlässlich eines „Lohnformenwechsels“ nicht vereinbaren, dass bei Wegfall der Zusatzleistung der Lohnverzicht des Arbeitnehmers wieder durch eine Gehaltserhöhung ausgeglichen werden soll. Wäre ein solcher Automatismus vorhanden, läge auch nach BFH-Sicht kein „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ vor. Mit BMF-Schreiben vom 5.2.2020 (IV C 5 – S 2334/19/10017 :002) hat die Finanzverwaltung bekannt gegeben (ich hatte berichtet), dass die Urteile des BFH vom 1.8.2019, in denen dieser teilweise eine Gehaltsumwandlung zugelassen hat, über den entschiedenen Fall hinaus nicht anzuwenden sind.

Diese Auffassung soll nun gesetzlich in § 8 Abs. 4 EStG (GruReG-E) fixiert werden. Die „Zusätzlichkeitsvoraussetzung“ wäre demnach künftig – auch mit Bindungswikrung für den BFH – nicht erfüllt, wenn

  • der Wert einer Arbeitgeberleistung (Sachbezüge oder Zuschüsse) auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • der Anspruch auf Arbeitslohn zugunsten der Leistung herabgesetzt oder
  • die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung anstelle einer Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wird.

Wie geht´s weiter ?

Nach der 1. Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag, die am 19.2.2020 geplant ist, geht der Gesetzentwurf in das weitere parlamentarische Verfahren. Hoffentlich setzt sich dabei die Einsicht durch, dass eine gesetzliche steuerliche Restriktion zusätzlicher Arbeitgeberleistungen ein Weg in die falsche Richtung ist. Denn solche Arbeitgeberleistungen sind inzwischen im praktischen Alltag des Arbeitslebens Realität geworden; der Gesetzgeber sollte solche Leistungen mehr fördern statt umgekehrt steuerlich durch Entzug von Steuerfreiheit oder Steuerpauschalisierung zu bestrafen.

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