Organschaft und Insolvenz – BMF ändert eigene Anweisung kurzfristig

Ich habe an dieser Stelle schon häufiger den Zustand des Umsatzsteuerrechts kritisiert. Ob Gesetzgeber, Finanzverwaltung oder Finanzgerichte: Jeder trägt seinen Teil zum Chaos bei. Dabei ist ein funktionsfähiges Umsatzsteuerrecht für unsere Wirtschaft von enormer Bedeutung. Aktuell hat es das BMF wieder einmal geschafft, für – weitere – Verwirrung zu sorgen. Worum geht es?

Mit Schreiben vom 4.3.2021 hat das BMF zu der Frage Stellung genommen, ob die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung zur Beendigung der Organschaft führt oder nicht (III C 2 – S 7105/20/10001 :001). Danach gilt: Weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft beenden eine Organschaft, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird sowie eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt. Letztlich setzt das BMF damit das BFH-Urteil vom 27.11.2019 (XI R 35/17) um.

Gerade einmal drei Monate später ist dem BMF aber bewusst geworden, dass die Insolvenzordnung zwischenzeitlich geändert worden ist und sein Schreiben daher – sagen wir einmal „unvollständig“ – war. Dementsprechend gibt es ein weiteres Schreiben, das vom 22.6.2021 datiert und mit dem das BMF die Lücke füllt. Natürlich hätte das BMF sein Schreiben auch ganz offiziell zurückziehen oder den Fehler – ebenfalls offiziell – einräumen können. So etwas tut man aber nicht. Von daher fasst man das zweite Schreiben lieber in einem schwer verständlichen Sprachstil ab, damit der „Fehler“ oder die „Unvollständigkeit“ des ersten Schreibens nicht auffallen.

So gilt nun: Die Regelungen des BMF-Schreibens vom 4.3.2021 sind zwar in allen offenen Fällen anzuwenden, aber nicht für vorläufige Eigenverwaltungsverfahren, die nach dem 31.12.2020 angeordnet wurden. Hier bleibt es bei der Beendigung der Organschaft. Indes ist hiervon wiederum eine Ausnahme zu beachten: Gemäß § 5 Abs. 1 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) ist § 276a InsO auf Eigenverwaltungsverfahren, die zwischen dem 1.1.2021 und dem 31.12.2021 beantragt werden, grundsätzlich in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Insofern gilt die Fortführung der Organschaft in den Fällen, in denen die vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren unter die Anwendung des § 5 Abs. 1 COVInsAG fallen.

Einfach geht anders. Letztlich zeigt das Ganze aber, dass selbst das BMF das Zusammenspiel der einzelnen Gesetze und die Auswirkungen der hektischen Gesetzgebung nicht mehr – oder recht spät – durchdringt. Wir sprechen hier wohlgemerkt von ausgewiesenen Umsatzsteuerexperten.

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