Im Rahmen des NWB Experten-Blogs ist bereits mehrfach auf den – nicht mehr erlaubten – Betriebsausgabenabzug für Photovoltaikanlagen ab 2022 sowie die untersagte Bildung eines IAB für neue Anlagen eingegangen worden (vgl. z.B. „PV-Anlagen: Abzugsverbot für nachlaufende Betriebsausgaben – Revisionen liegen nun vor“ und „Rückgängigmachung des IAB für PV-Anlage: Erste Niederlage für die Finanzverwaltung„). In einem Fall vor dem FG Düsseldorf ging es nun um die Frage, ob das – rückwirkende – Verbot des Betriebsausgabenabzugs in 2022 verfassungskonform ist. Um es vorwegzunehmen: Das FG Düsseldorf hat keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der rückwirkenden Einführung des Gesetzes zum 1.1.2022 (Urteil vom 24.6.2025, 4 K 1286/24 E).
Hintergrund und Urteil des FG Düsseldorf
Kurz zum Hintergrund: Zahlreiche Steuerbürger haben ihre Photovoltaikanlagen bereits in 2021 bestellt, während diese erst in 2022 installiert wurden. Bei Bestellung der Anlagen und sogar bis weit ins Jahr 2022 hinein konnten sie darauf vertrauen, dass sie ihre Anfangsverluste steuerlich geltend machen können. Erst mit der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 30.11.2022 wurde die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG, die laut Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022 zum 1.1.2023 in Kraft treten sollte, auf den 1.1.2022 vorgezogen.
Nun zu dem Urteil des FG Düsseldorf: Die Klägerin hatte im Juni 2021 den Auftrag erteilt, eine Photovoltaikanlage zu installieren. Wegen der Corona-Krise wurde die Anlage aber verzögert errichtet und erst im Dezember 2022 an das Stromnetz angeschlossen. Der Abzug der Betriebsausgaben bzw. des Anfangsverlustes wurde ihr versagt. Hiergegen wehrt sich die Klägerin. Es liege eine rückwirkende, belastende Rechtsänderung vor, da diese den Betreibern die im Anschaffungsjahr 2022 fest eingeplante Steuerminderung aus der Sonder-AfA nachträglich raube und eine echte Liquiditätsbelastung beschere. Doch die Klage wurde abgewiesen.
Es habe kein schutzwürdiges Vertrauen darauf bestanden, dass im Veranlagungszeitraum 2022 entstandene Verluste steuerwirksam bleiben, spätere Gewinne aber steuerfrei gestellt werden. Dies gelte ungeachtet der zwischenzeitlichen gesetzgeberischen Bestrebungen, eine Steuerfreistellung erst ab dem 1.1.2023 einzuführen. Das Bundesverfassungsgericht differenziere zwischen einer echten und einer – hier vorliegenden – unechten Rückwirkung, bei der belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden (BVerfG-Beschluss vom 7.7.2010, 2 BvL 14/02). Eine solche unechte Rückwirkung sei am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Im Fall der Photovoltaikanlagen sei es dem Gesetzgeber gerade darum gegangen, in Konstellationen wie der vorliegenden zu verhindern, dass mit der Anschaffung verbundene Verluste steuerwirksam bleiben, während zukünftige Einnahmen steuerfrei sind. Schon ein solches Fiskalinteresse könne im Bereich der unechten Rückwirkung zur Rechtfertigung ausreichen, wenn keine besonderen Momente der Schutzbedürftigkeit hinzutreten.
Denkanstoß:
Gegen das Urteil wurde die Revision zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt wurde, ist mir leider noch nicht bekannt. Es wäre aber zu hoffen, dass diese – neben den bereits vorliegenden anderen Revisionen zum nachlaufenden Betriebsausgabenabzug – erhoben wird.
Jedenfalls wäre die Klärung der Rechtsfrage äußerst interessant. Meines Erachtens verkennt das FG Düsseldorf nämlich, dass es politischer Wille war (und ist), Photovoltaikanlagen zu fördern und daher – zur Sicherung der Liquidität – Steuerminderungen aufgrund der Geltendmachung von IAB bzw. hoher Anfangsverluste durch Sonder-AfA zuzulassen. Das ist ein schutzwürdiges Interesse, in das im Wege einer unechten Rückwirkung nicht eingegriffen werden darf. Die Hinweise auf die spätere Erzielung steuerfreier Einnahmen und des fiskalischen Interesses reichen meines Erachtens nicht aus, um den Vertrauensverstoß zu rechtfertigen.
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Ein Beitrag von:
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
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- Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe
Warum blogge ich hier?
Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.