Sammelpunkt ist nicht gleich Sammelpunkt

Fahren Arbeitnehmer täglich zu einem Sammelpunkt, um von dort mit einem Fahrzeug des Arbeitgebers zur Baustelle oder zu den Kunden zu fahren, so sind die Fahrten zum Sammelplatz nur mit der Entfernungspauschale abzugsfähig. Etwas förmlicher und genauer ausgedrückt: Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen (sog. Sammelpunkt), gilt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort entsprechend (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG).

Wie wir bereits im Jahre 2021 durch ein BFH-Urteil erfahren haben, kommt den Wörtern „typischerweise arbeitstäglich“ durchaus eine große Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 19.4.2021, VI R 6/21). Im zugrundeliegenden Fall war ein Baumaschinenführer häufig auf mehrtägigen Fernbaustellen eingesetzt. Auch wenn der BFH in dem Verfahren nicht abschließend entschieden hat, so kann wohl davon ausgegangen werden, dass im Urteilsfall kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Sammelpunktes des Arbeitgebers mehr vorlag. Folglich waren die Kosten zum Sammelpunkt mit 30 Cent je gefahrenem Kilometer zu berücksichtigen.

In einem interessanten Fall hat nun das FG Mecklenburg-Vorpommern entschieden, dass keine Fahrten zum Sammelpunkt vorliegen, wenn ein Möbelmonteur den betrieblichen Lkw nach der Arbeit jeweils am Straßenrand oder auf einem wechselnden öffentlichen Parkplatz abstellt, von dort mit dem eigenen Pkw nach Hause fährt und den Lkw am Morgen darauf wieder übernimmt (Urteil vom 1.9.2022, 2 K 104/19).

Der Sachverhalt:

Ein Möbelmonteur nutzte für die Fahrten zu den Kunden einen Lkw des Möbelhauses. Vom Arbeitgeber wurde ihm aufgegeben, den Lkw nach dem Feierabend „an jedem beliebigen Ort zwischen A und W abzustellen.“ Da es in der Region keinen öffentlichen Lkw-Parkplatz gab, hat der Monteur nach der Schicht täglich eine neue Parkgelegenheit für das Fahrzeug gesucht. Es gab weder eine betriebseigene Sammelstelle noch eine Weisung des Arbeitgebers bezüglich einer ersten Tätigkeitsstätte. Auch hielt sich der Kläger nie lange am Betriebssitz oder am Zentrallager des Arbeitgebers auf. Für die Fahrten von zuhause bis zu dem jeweiligen Lkw-Abstellplatz und wieder zurück beantragte der Monteur daher die Kilometerpauschale für Dienstreisen und nicht nur die Entfernungspauschale. Das Finanzamt lehnte dies ab, doch die Klage war erfolgreich.

Begründung: Der Kläger ist keiner ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet und hatte mithin keine erste Tätigkeitsstätte im Sinne von § 9 Abs. 4 EStG. Es fehlt auch an einer Anweisung des Arbeitgebers, arbeitstäglich einen festgelegten Ort aufzusuchen, um von dort aus die berufliche Tätigkeit zu beginnen. Der vom Kläger jeweils auszuwählende öffentliche Parkplatz gehört weder zum Bereich seines Arbeitgebers noch ist er mit einem Busdepot oder einem konkreten Sammelpunkt vergleichbar.

Denkanstoß:

Beide Urteile sind nicht leicht verdaulich, doch es lohnt, diese ausführlich zu studieren, da sie in ähnlich gelagerten Fällen bares Geld wert sind.

Übrigens gilt der „Sammelpunkt“ privater Fahrgemeinschaften nicht als Sammelpunkt i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG. Vielmehr handelt es sich um einen Treffpunkt, weil es hier an der arbeitsrechtlichen Bestimmung durch den Arbeitgeber fehlt. Die Fahrten zum Treffpunkt kann jeder Einzelne und die Weiterfahrt zur Einsatzstelle der jeweilige Fahrer mit der Dienstreisepauschale absetzen. Vorausgesetzt natürlich, es ist keine erste Tätigkeitsstätte vorhanden (BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl 2014 I S. 1412, Tz. 38). Also gilt auch hier: Sammelpunkt ist nicht gleich Sammelpunkt.


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