Scheidung auf ärztlichen Rat ist keine außergewöhnliche Belastung

Ehescheidungskosten sind generell nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG absetzbar (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Andererseits gilt: Ein Abzug ist möglich, wenn der Bürger ohne Prozess Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Und letztlich: Aufwendungen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit entstehen zwangsläufig aus tatsächlichen Gründen und sind daher als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art nach § 33 EStG absetzbar.

Im Jahre 2018 musste sich das Sächsische FG tatsächlich mit der Frage auseinandersetzen, ob eine Scheidung auf ärztlichen Rat – also quasi „auf Rezept“ – eine außergewöhnliche Belastung darstellt. Doch um es vorwegzunehmen: Die Kosten einer Ehescheidung sind auch dann nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn die Scheidung auf ärztlichen Rat erfolgte, also medizinisch indiziert war (FG Sachsen vom 19.4.2018, 8 K 80/18).

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Geschiedener machte in seiner Steuererklärung 2015 Kosten für seine Ehescheidung als außergewöhnliche Belastung geltend. Er begründete dies damit, dass die Ärzte in einem Fachklinikum ihm zur Ehescheidung geraten hätten, um seine Depressionen zu lindern. Auch seine ehemalige Ehefrau hätte unter Depressionen gelitten und sei arbeitsunfähig gewesen. Ohne die Scheidung wäre er nicht mehr in der Lage gewesen, seiner Arbeit nachzugehen. Auch die beiden Töchter hätten stark unter dem Zustand vor der Trennung gelitten. Das Finanzamt lehnte den Abzug der Kosten jedoch ab und auch die FG-Richter hatten kein Einsehen.

Zunächst klären die Richter, dass Prozesskosten ausnahmsweise nicht vom Abzug ausgeschlossen sind, wenn der Steuerpflichtige ohne Prozess Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Weil es dabei aber ausschließlich um die materielle Existenz bzw. um materiell notwendige Bedürfnisse geht, zählen die Kosten für ein Scheidungsverfahren nicht dazu, denn diese werden regelmäßig nicht zu deren Sicherung erbracht. Dies treffe im Urteilsfall zu.

Sodann erläutern die Richter, dass Scheidungskosten auch dann nicht zu den Aufwendungen gehören, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, wenn die Ehescheidung medizinisch indiziert ist. Denn die dabei allein maßgebliche materielle Existenzgrundlage sei in diesem Fall nur mittelbar betroffen. Unmittelbarer Anlass für eine medizinische Indikation seien seelische oder körperliche Beeinträchtigungen, die zwar ebenfalls schlussendlich zum Verlust der materiellen Existenzgrundlage führen könnten. Das aber genüge hier nicht für das Eingreifen der Rückausnahme vom Abzugsverbot.

Auf die Frage der Krankheitskosten ist das FG seltsamerweise – man kann auch sagen „unverständlicherweise“ – nicht  eingegangen.

Hinweis

Ich gebe zu, dass mich zunächst der Sachverhalt dazu veranlasst hat, das Urteil zu lesen. Aber wenn man näher einsteigt, stellt man fest, dass wieder einmal ein Finanzgericht bei der Frage der „Existenzgrundlage“ nur auf materielle und nicht auf körperliche oder psychische Belange abstellt. Es gilt also weiterhin: Ansprüche wegen immaterieller Schäden betreffen nicht den existenziellen Bereich i.S. des § 33 EStG (vgl. dazu auch meinen Blog „Was ist eigentlich eine Existenzgrundlage?“). Diese Haltung ist fragwürdig und beschämend. Ich empfehle allen Finanzrichtern, diesbezüglich den OECD-Forschungsbericht Nr. 12/13: „Psychische Gesundheit und Beschäftigung: Schweiz“ zu studieren. Vielleicht findet dann endlich ein Umdenken statt.

Weitere Informationen:

Sächsisches FG v. 19.04.2018 – 8 K 80/18

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