Serie Bilanzskandale: Der umstrittene Indien-Deal von Wirecard

Eine Verzehnfachung des Preises innerhalb von wenigen Wochen – von dieser „Traumrendite“ können selbst Immobilienbesitzer in München nur träumen. Doch bei Wirecard? Angebliche Realität. Im Jahr 2015 kaufte der mittlerweile insolvente Zahlungsdienstleister ein Unternehmen in Indien für mehr als 300 Mio. €. Wenige Wochen zuvor hatte das Unternehmen für etwas mehr als 30 Mio. € den Besitzer gewechselt.

Fragen, Fragen, Fragen…

Gab es daran denn keine Kritik? Doch und zwar in der Financial Times. Welche Folgen die kritischen Berichte über Wirecard für die Journalisten hatten, ist mittlerweile bekannt: Beschattungen. Von den juristischen Folgen seitens der Bafin ganz zu schweigen.

Es stellt sich die folgende Frage: Wer hat davon profitiert, dass Wirecard für die indische Firmengruppe einen derart hohen Kaufpreis bezahlt hatte? Dies herauszufinden, ist nicht einmal den 40 (!) Wirtschaftsprüfern von KPMG während der Sonderuntersuchung gelungen. Dies soll keineswegs die Arbeit der Prüfer kritisierten, ganz im Gegenteil: Wie kann es sein, dass aufgrund von monatelanger Arbeit selbst Experten nicht herausfinden konnten, wer die wirtschaftlich Berechtigten hinter dem Fund 1 waren, wie dies im KPMG-Bericht bezeichnet wurde?

Immaterielles Vermögen pusht die Bilanz und den Gewinn

Welche Auswirkungen hatte ein derart hoher Kaufpreis denn auf die Bilanz von Wirecard? Dadurch entstand ein hoher Goodwill, der im immateriellen Vermögen ausgewiesen wird. Der Vorteil? Nach der Internationalen Rechnungslegung nach IFRS muss dieser nicht jährlich abgeschrieben werden, sondern nur dann, wenn es Anhaltspunkte auf eine Wertminderung gibt.

Bei einem zu hohen Kaufpreis würde sich die Überbewertung also normalerweise durch eine Wertminderung „lösen“. Bei Wirecard hat dies in dem Maße sicherlich nicht stattgefunden, dies hätte schlussendlich auch den Gewinn belastet. Ob und in welcher Höhe für eine korrekte Bilanzierung Abschreibungen hätten erfolgen müssen, wird sich bei der gerichtlichen Aufklärung des Falles vielleicht zeigen.

Das Problem mit der Liquidität

Wirecard hatte einen immensen Liquiditätsbedarf – insbesondere kurz vor Aufdeckung des Skandals. Auch die Entwicklungen der Schulden in den letzten Jahren und die Ausgabe von Anleihen im Jahr 2019 war dies deutlich ersichtlich. Diese Feststellung ist vor allem deswegen interessant, da laut der Bilanz bei Wirecard gleichzeitig auch die Liquidität sprudelte. Doch im Geschäftsbericht wurde eben nicht transparent darüber berichtet, dass unter den Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten auch die Guthaben auf Treuhandkonten ausgewiesen wurden.

Der steigende Liquiditätsbedarf in Fällen von Bilanzfälschung ist ganz typisch,denn langfristig benötigt das Unternehmen den tatsächlichen Liquiditätszufluss. Sofern fiktive Umsätze ausgewiesen wurden, führen die jedoch nicht zu Zahlungseingängen. Der Liquiditätsbedarf muss somit anderweitig gedeckt werden.

Fazit

Dieses Beispiel zeigt, dass nicht nur der Gewinn, sondern auch der Liquiditätszufluss näher analysiert werden sollten. Beim Liquiditätszufluss sollte vor allem auch geschaut werden, ob dieser aus Krediten oder von tatsächlichen Kundenzahlungen kommt.

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