Serie Bilanzskandale – Die kreative Interpretation von Markus Braun zum KPMG-Bericht

Das eine Aussage verschiedene Interpretationen zulässt, ist nichts Neues. Doch im Falle des KPMG-Berichtes von Wirecard hat Markus Braun sich im vergangenen Frühjahr doch sehr viel Kreativität erlaubt. Um es kurz auf den Punkt zu bringen. Nachdem der Bericht der Sonderuntersuchung von KPMG Ende April 2020 veröffentlicht wurde, stellt sich die entscheidende Frage, wie die Ergebnisse zu interpretieren waren. Dazu folgender, wenn auch sehr kurzer, Vergleich der Aussagen von KPMG und Brauns Interpretation:

KPMG: Aufgrund nicht vorgelegter Unterlagen und mangels ausreichender Nachweise konnte die Existenz des Geschäftes nicht nachgewiesen werden. Auch die Echtheit der Dokumente konnte nicht zweifelsfrei belegt werden.

Brauns Interpretation an den Kapitalmarkt: An den Vorwürfen gegen Wirecard ist nichts dran. Der KPMG-Bericht entlastet Wirecard damit endgültig.

Diese Zusammenfassung ist sehr knapp, das stimmt. Dennoch bringt es die Sache auf den Punkt. Für einen Beitrag in der NWB-Zeitschrift „WP Praxis“ hatte ich im letzten Jahr Auszüge aus der Pressemitteilung von Wirecard mit den Aussagen aus dem KPMG-Bericht verglichen. Sehr kreative Interpretationen, so mein Eindruck. Vereinfacht und im übertragenden Sinne gesagt, hatte ich ein bisschen den Eindruck, als ob KPMG zweifelsfrei bestätigt hatte, dass die Erde rund sei und Wirecard den Kapitalmarkt darüber informierte, dass nach dem KPMG-Gutachten die Erde zweifelsfrei eine Scheibe war.

Sicherlich ist dies in der Praxis weitaus komplexer, dennoch passen die Aussagen von Markus Braun mit denen im KPMG-Bericht nicht so ganz zusammen. Welchen Stress dies unternehmensintern verursachte, wurde mittlerweile in der Presse und dem ein oder anderen Wirecard-Buch genauer ausgeführt.

Was mich nach der Veröffentlichung des Berichtes von KPMG besonders erschreckte? Offenbar hatte Wirecard am Kapitalmarkt immer noch etwas Glaubwürdigkeit.
Ich war verwundert, denn spätestens ab Herbst 2019 waren die Pressemitteilungen von Wirecard bezüglich der Vorwürfe in der Financial Times so unglaubwürdig, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Anleger schleunigst ihre Aktien verkauft haben.

Was können wir daraus lernen? Weg mit der rosaroten Brille, rein in die Kritik-Brille. So schön Braun die Vorwürfe kleinreden und die aktuelle Entwicklung schönreden konnte – ein Blick in die Zahlen hat gezeigt: Trotz sprudelnder Liquidität und eines steigenden Gewinns waren auch die Schulden des Konzerns massiv angestiegen. Wie bisher jedes Unternehmen, das in größerem Ausmaß Bilanzen gefälscht hat, gab es auch bei Wirecard sicherlich einen Liquiditätsengpass. Schließlich wurde pro Woche eine zweistellige Millionen-Summe verbrannt.

Wir alle – ob Aktionäre, Mitarbeiter oder sonstige Stakeholder – sollten künftig mehr hinterfragen, welche Präventionsmaßnahmen das Unternehmen umgesetzt hat. Mehr dazu erfahren Sie in dieser Serie ab Anfang Oktober.

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