Serie Bilanzskandale: Filmtipp „Wirecard – Die Milliarden-Lüge“

Eigentlich wollte ich etwas über den Indien-Deal von Wirecard schreiben. Doch seit Anfang Mai hat sich eine Frage geklärt, die ich mir schon lange gestellt hatte: Wer war der Whistleblower in Singapur? Die Antwort hat nicht nur die Presse, sondern auch die neue Doku „Wirecard – Die Milliarden-Lüge“ beantwortet: Pav Gill. Ein Jurist aus Singapur.

Ein weiteres Rätsel wird gelöst

Endlich hat der Whistleblower ein Gesicht. Und Pav Gill ist nicht der Einzige, der bei Wirecard den Eindruck hatte, dass nicht alles echt ist. Auch der Online-Kritiker „Jigajig“ berichtet aus seiner Perspektive, wie er nächtelang den Konzern Wirecard rekonstruiert, Fragen aufwirft. In seinem Bekanntenkreis stößt er eher auf Unverständnis. Auch bei ihm habe ich den Eindruck, dass diese jahrelange Arbeit große Spuren hinterlassen hat. Damals hielten viele derartige Manipulationen bei dem DAX-Liebling für unmöglich. Seit einem Jahr ist bekannt, dass auch DAX-Konzerne wegen Bilanzmanipulationen Insolvenz anmelden und ehemalige DAX-Vorstände sich auf der Flucht befinden können.

Pav Gill war übrigens auch der Whistleblower, der der Financial Times interne Unterlagen zur Verfügung gestellt hat. Welchen Gefahren er sich damit ausgesetzt hat, wird im Film sehr deutlich. Ohne seinen Mut hätte es die Artikel in der Financial Times vermutlich nie gegeben. Doch diesen Mut muss man erst mal haben. Ganz davon abgesehen, dass die Angst vor Beschattung und Co. auch das private Umfeld beeinflussen.

Eine nicht angetretene Geschäftsreise hat Pav Gill vermutlich das Leben gerettet. Wirklich? Zumindest habe ich dies aus der Doku so verstanden. Bei Wirecard kann ich mir dies auf jeden Fall vorstellen. Edo, der frühere Leiter der Buchhaltung von Wirecard in Singapur, ist seit 2019 verschwunden. Ermittelt wird gegen ihn weiterhin. Der Causa Wirecard ist kein Krimi mehr, wir bewegen uns hier in der Kategorie Thriller.

Folgen für die Whistleblower

Anders als Pav Gill und sein Kollege aus Dubai vermutet hatten, waren sie bei Wirecard nicht auf offene Ohren gestoßen. Wie auch andere Fälle von Bilanzmanipulationen zeigen: Kritische Stimmen werden zum Schweigen gebracht. Zumindest wird es versucht. Bei Pav Gill hat es nicht geklappt. Er hat zwar seinen Job verloren, aber dennoch weiterhin für die Aufdeckung gekämpft und dafür vieles riskiert.

Den Namen des anderen Whistleblowers, der aus Angst mit seiner Familie über Nacht nach Australien ausgewandert ist, habe ich nicht mehr in Erinnerung. Doch an eines erinnere ich mich noch genau: Am Ende der Doku wird darauf hingewiesen, dass er bis zum Abschluss der Dreharbeiten noch nicht von der Staatsanwaltschaft befragt wurde. Ich hoffe, das ist mittlerweile geschehen. Durch den Fall Wirecard hat das Image Deutschlands erheblich gelitten. Wir sollten nun wenigstens den mutigen Whistleblowern zuhören und unsere Lehren daraus ziehen. Denn was nicht vergessen werden darf: Nicht jeder, der an solche Informationen gelangt, hat den Mut, sich zu äußern. Doch auch wenn der Mut vorhanden ist, können die persönlichen Lebensumstände zum Schweigen anregen.

Ein Film sagt mehr als 1.000 Zeilen

Lohnt es sich die Doku anzuschauen? Auf jeden Fall. Denn es wird deutlich, wie schwierig es für Mitarbeiter/innen ist, bei Verdachtsfällen Gehör zu finden. Der Fall Wirecard zeigt besonders auch die Folgen für Mitarbeiter/innen, die glauben, mit ihren Entdeckungen etwas Gutes zu bewirken. Doch stattdessen müssen sie sich vor Beschattungen fürchten und verlieren ihren Job. Dem zweiten Mitarbeiter in der Doku merkt man im Gespräch an, wie sehr ihm die Auswanderung über Nacht nach Australien mit Frau und Kindern noch heute zusetzt. Diese Eindrücke zu lesen, ist eines. Doch die Stimmen der Kritiker in einem Film zu sehen, zeigt die Auswirkungen viel eindrucksvoller.

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