Serie Bilanzskandale: Gefährdete Bilanzposten durch die digitale Transformation

Innovationen. Disruption. Innovative Geschäftsmodelle. Begriffe, die nicht nur in den Medien immer wieder auftauchen. Auch bei der Analyse von Bilanzen kommt dem sog. immateriellem Vermögen eine immer größere Bedeutung zu. Das Interesse daran ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Auch mir liegt das Thema sehr am Herzen, denn schließlich habe ich darüber meine Dissertation geschrieben. Ich habe mich zwar sehr gefreut, als ich endlich das Buch und den Titel in der Hand hielt. Doch freut es mich umso mehr, dass das Thema an Aktualität nicht verloren hat, ganz im Gegenteil.

Leider ist das immaterielle Vermögen daher auch immer anfälliger, manipuliert zu werden. Denn anders als bei materiellem Vermögen wie beispielsweise Maschinen und Gebäuden, hat es keine physische Substanz und die Bewertung ist deutlich komplexer. Auch im Falle von Wirecard haben nicht nur die in der Bilanz ausgewiesenen 1,9 Milliarden Euro nicht in der Höhe des Buchwertes existiert. Insbesondere auch beim immateriellen Vermögen ist die Frage, inwieweit dieses werthaltig ist.

Was haben die Fälscher gemacht?

In dem Fall, den ich Ihnen mitgebracht habe, geht es um das Thema Entwicklungskosten. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen diese im HGB aktiviert werden. Sofern die Entwicklungsleistungen nicht selbst erbracht, sondern an Dritte ausgelagert wird, besteht dieses Problem nicht.

Dies wurde in dem vorliegenden Fall auch entsprechend gehandhabt: Um die strengen Ansatzkriterien zur Aktivierung der Entwicklungskosen zu umgehen, wurden diese an eine angebliche Fremdfirma ausgelagert. Diese stellte Rechnungen für erbrachte Entwicklungsleistungen, die deutlich machen, dass die Täter irgendwann den Hang zur Realität verloren haben.

Der in Rechnung gestellte Betrag, bei dem ein Stundensatz von 120 EUR zugrunde gelegt wurde, hätte mehr als 14.000 Arbeitsstunden zur Folge gehabt. Was bei der Manipulation „vergessen“ wurde: Die Fremdfirma hatte weder ausreichend Personal noch externe Dienstleister, um innerhalb der angegebenen Zeit einen solchen Zeitaufwand erbringen zu können.

Über die Anzahl der in Rechnungen gestellten Arbeitsstunden im Verhältnis zu den gesamten Arbeitsstunden des Personals lässt sich sicherlich streiten. Doch stehen jedem Mitarbeiter nur 8.760 Stunden pro Jahr zur Verfügung. Wenn man davon noch abzieht, dass täglich geschlafen wird, es Freizeit, Urlaub etc. gibt, könnte eine Vollzeitkraft ungefähr 2.080 Arbeitsstunden pro Jahr erbringen (52 Wochen x 40 Stunden).

Abgesehen von diesem Rechenfehler, gab es auch keinerlei Unterlagen oder Schriftverkehr zwischen den beiden Unternehmen. Auch dies zeigt deutlich, dass es sich hier um eine Scheinrechnung handelt. Durch diese Scheinrechnung konnte das Unternehmen Entwicklungskosten aktivieren und so das eigene Vermögen aufblähen. Die angebliche Fremdfirma gehörte zur Unternehmensgruppe, musste aber nicht konsolidiert werden.

Im Folgejahr stellt sich dann irgendwann das Problem mit der Begleichung der Rechnung. Damit dies nicht auffällt, wird dann oftmals wild „hin und her“ gebucht.

Welche Auswirkungen die Korrektur auf den Jahresabschluss hat

Da es sich um eine Scheinrechnung handelt, wurde hier gegen das Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB verstoßen beim Rechnungssteller. Dies erfordert eine Korrektur der Umsatzerlöse sowie der ausgewiesenen Forderungen.

Der Leistungsempfänger hatte angeblich fremde Entwicklungskosten aktiviert und damit das immaterielle Vermögen zu hoch ausgewiesen. Bei der Korrektur des Jahresabschlusses müssten hier also zum einen das immaterielle Vermögen sowie die korrespondierenden Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen verringert werden.

Anfang Mai lesen Sie, wie durch den Ausweis zu geringer Aufwendungen der Gewinn künstlich aufgebläht wird. Bei der Aufdeckung stellt dies Sonderprüfer vor andere Herausforderungen, da hier erforderliche Buchungen unterlassen werden. Doch dazu im nächsten Monat mehr.

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