Serie Bilanzskandale: Gewinn schönrechnen durch Unterlassung der Bildung von Rückstellungen

Anders als bei fingierten Umsatzerlösen ist das Auffinden von nicht gebuchten Rückstellungen deutlich komplexer. Denn hier findet sich kein Buchungssatz ohne realen Geschäftsvorfall in der Buchhaltung, sondern kein Buchungssatz trotz eines realen Geschäftsvorfalls. Anstatt der Buchhaltung müssen daher also Dokumente wie E-Mails, Verträge und weitere Dokumente überprüft werden.

Beim Thema Rückstellungen fällt mir gerade ein Fall zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit in einer Steuerkanzlei ein. Dort ging es auch um eine sehr hohe Rückstellung für einen möglichen Schadensersatz eines Geschäftspartners. Doch anders als im Falle einer manipulierten Bilanz gab es damals mit der Steuerfahndung den Streit darüber, in welchem Jahr die Rückstellung mangels Verjährung aufgelöst werden musste. Aufgrund der Höhe des Betrages, den der Geschäftspartner aber schlussendlich doch nicht gerichtlich einforderte, wurde der Gewinn durch die Auflösung der Rückstellung deutlich erhöht.

Im Falle von Bilanzmanipulationen ist es genau umgekehrt: Durch die nicht gebuchte oder zu gering gebuchte Rückstellung wird der Gewinn zu hoch ausgewiesen. Eine Korrektur bedeutet demnach eine Verringerung des Gewinns. In den meisten Praxisfällen von Bilanzmanipulationen zeigt sich, dass der Gewinn zu hoch ausgewiesen wurde. Als Konsequenz werden dann auch zu hohe Steuerzahlungen geleistet.

Doch nun zurück zu unserem Fall: Dieser stammt wie auch die anderen Beispiele aus der Praxis. Die Firmennamen sind frei erfunden und dienen lediglich der besseren Veranschaulichung des Sachverhaltes. Wir betrachten im Detail die Vorgänge bei der Sommerhitze AG.

Vorgehensweise der Täter

Zwischen der Sommerhitze AG und der Winterblues GmbH gab es einen Lizenzvertrag, bei dem die Sommerhitze AG für die Produktion von wasserabweisender Outdoorkleidung für den Sommer in Anhängigkeit der Umsatzerlöse eine Lizenzgebühr an die Winterblues GmbH bezahlen musste. Die Höhe der Lizenzgebühr beläuft sich auf 5 % der erzielten Umsatzerlöse durch den Verkauf der genannten Produkte. Preisnachlässe, die die Sommerhitze AG ihren Kunden gewährten verringerten somit die zu leistenden Lizenzzahlungen.

Zur Vereinfachung der Abrechnung erfolgte die finale Abrechnung der Lizenzzahlungen jährlich zum 31.3. Denn der abgeschlossene Lizenzvertrag legte fest, dass angefallene Versicherungskosten für den Transport der Produkte die Lizenzzahlungen mindern sollten. Aufgrund der Schwankungen dieser Kosten war somit der finale Betrag erst mit der Abrechnung im Folgejahr bekannt. Die Sommerhitze AG erstellte die Abrechnungen an die Winterblues GmbH und ermittelte die Höhe der finalen Lizenzgebühren für das jeweilige Vorjahr.

Anhand von vorgelegten Unterlagen im Rahmen einer Sonderuntersuchung stellten die beauftragten Wirtschaftsprüfer fest, dass in den letzten drei Jahren zu geringe Lizenzzahlungen von der Sommerhitze AG geleistet wurden. Eine entsprechende Rückstellung für die noch ausstehenden Lizenzzahlungen war nicht erfolgt. Die Lizenzzahlungen wurden immer erst bei der Begleichung im Folgejahr als Aufwand erfasst.

Auswirkungen auf den Jahresabschluss

Für die noch zu zahlende Lizenzzahlungen hätte die Sommerhitze AG in den drei Jahren jeweils eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB bilden müssen. Dieser Nichtausweis bestehender ungewisser Verbindlichkeiten bedeutet somit einen Verstoß gegen das Vollständigkeitsprinzip des § 246 Abs. 1 S. 1 HGB, denn demnach müssen alle Schulden ausgewiesen werden. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung waren somit eindeutig erfüllt.

Somit wäre in den drei Jahren zum Bilanzstichtag jeweils die folgende Buchung erforderlich gewesen:

Sonstige betriebliche Aufwendungen
an Rückstellungen

Sofern die Zahlungen tatsächlich nicht mehr geleistet werden, stellt sich in den Folgejahren dann die Frage der Auflösung einer Rückstellung bei Eintritt der Verjährung. Dies müsste dann im Detail geprüft werden, da die falschen Abrechnungen von der Sommerhitze AG erstellt wurden.

Lassen Sie sich überraschen, welches Beispiel ich Ihnen im August mitbringe. Dann endet die Serie vorerst – es kommt aber eine weitere kleine Serie. Sie dürfen gespannt sein.

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