Serie Risiko Bilanz – wo man genauer hinschauen sollte: Vermeidung hoher Verluste durch (positive) Einmaleffekte

Wo ich in der GuV zuerst hinschaue? Klar, neben den Umsatzerlösen schaue ich mir auch den Jahresüberschuss an. So schaue ich mir unter anderem an, wie das Verhältnis zwischen den Umsatzerlösen und dem Jahresüberschuss ist. Oder anders gesagt: Hat das Unternehmen dank der guten Entwicklung einen Gewinn erwirtschaftet?

Und was ist, wenn dies nicht der Fall ist? Dann stellt sich die Frage, woran dies liegt. Ein Beispiel, was sich immer wieder in den Abschlüssen von Unternehmen findet, schauen wir uns in diesem Beitrag an. Und glauben Sie mir: Die beiden Praxisbeispiele haben es in sich.

Wo man positive Einmaleffekte in der GuV findet

Beginnen wir mit dem Fachbegriff: Sonstige betriebliche Erträge. Was hat es damit auf sich? Es handelt sich um einen Sonderposten für alle Erträge, die nicht zu den Umsatzerlösen, Finanzerträgen etc. gehören. Beispielsweise der Verkauf von nicht mehr benötigten Maschine in der Produktion führt dann zu einem sonstigen betrieblichen Ertrag, wenn der Verkaufspreis höher ist als der Buchwert zum Zeitpunkt des Verkaufs (sog. Restbuchwert).

Hier direkt schon mal ein Praxisbeispiel, das mir in der Vergangenheit aufgefallen ist:

Delivery Hero hatte in den Jahresabschlüssen (HGB) teilweise sehr hohe sonstige betriebliche Erträge (818 Mio. €) ausgewiesen, die 2021 beispielsweise das dreifache der Umsatzerlöse (818 Mio. €) ausgemacht haben. Was es damit auf sich hatte? Dazu ein Beispiel aus dem Anhang des Jahresabschlusses 2021:

 „Ferner sind hierin Erträge aus der Veräußerung von Tochtergesellschaften sowie Beteiligungen in Höhe von € 508,5 Mio. enthalten, insbesondere aus der Veräußerung des eigenen Koreageschäfts in Zusammenhang mit dem Erwerb von Woowa Brothers Inc.“

Für alle, die es selbst nachlesen wollen: Die Anhangangaben zu den sonstigen betrieblichen Erträgen finden sich auf Seite 85 im Jahresabschluss (Link am Ende des Beitrags).

An diesem Beispiel wird deutlich: Das ist lediglich ein positiver Einmaleffekt. Eine Beteiligung kann nur einmal veräußert werden und trägt nicht zur langfristigen Gewinnerzielung bei. Doch soll hier noch erwähnt werden: Auch der Verkauf der Tochtergesellschaften und Beteiligungen hat nicht gereicht, um ein positives Jahresergebnis zu erwirtschaften. Der Verlust lag 2021 bei 2,7 Mrd. € – und das während der Pandemie, als das Geschäft boomte.

Ein Praxisbeispiel

Und nun noch ein aktuelleres Beispiel aus dem letzten Jahr: Die Kreditvermittlungsplattform Creditshelf. Als Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger habe ich auf der letzten Hauptversammlung teilgenommen. Meine Einschätzung? Hinsichtlich der Unternehmensentwicklung war ich sehr besorgt, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Bereits vor etwas zwei Jahren hatte ich mir die Zahlen schon mal angeschaut (Link zum Interview am Beitragsende). Die Entwicklung des Aktienkurses 2023 bestätigt meine Sorgen: Von knapp 30 Euro zu Jahresbeginn lag dieser Ende des Jahres bei weniger als 5 Euro.

Doch nun zum Thema sonstige betriebliche Erträge, worauf der Fokus dieses Beitrags liegt. In der Quartalsmitteilung zum 30. September 2023 haben diese dazu beigetragen, den Verlust zu verringern. Nun zunächst ein paar Zahlen aus der GuV für die Entwicklung vom 1.1.-30.09.2023 (Veränderung zum Vorjahreszeitraum in Klammern), bevor wir uns den dahinerstehenden Geschäftsvorfall anschauen:

Umsatzerlöse                                     ca. 3,6 Mio. Euro (-30 %)

Sonstige betriebliche Erträge            ca. 1,9 Mio. € (-5 %)

Personalaufwendungen                     ca. 4,3 Mio. € (+2 %)

Jahresfehlbetrag                                ca. 1,4 Mio. € (Vorjahr: Gewinn 0,4 Mio. €)

Die Erläuterungen zu den sonstigen betrieblichen Erträgen in der Quartalsmitteilung zum 30. September 2023 auf Seite 6 zeigen die aus meiner Sicht sehr besorgniserregende Lage des Start-ups:

„Die sonstigen Erträge entsprachen mit 1.907,0 TEUR in etwa dem Niveau des Vorjahreszeitraums (1.968,4 TEUR). Diese Position beinhaltet Erträge aus der Auflösung der Rückstellung für die virtuelle Beteiligung, Rechtskostenerstattungen von ausgefallenen Kreditnehmern als Recovery sowie eine Umsatzsteuererstattung für vorangegangene Geschäftsjahre. Darüber hinaus ist ein Ertrag von 970,0 TEUR aufgrund eines Forderungsverzichts der Patronin der Gesellschaft für das Gesellschafterdarlehen sowie die aufgelaufenen Zinsen enthalten. Im Vorjahreszeitraum enthielt diese Position im Wesentlichen eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1.750,0 TEUR, die creditshelf im Rahmen der Einigung mit dem Insolvenzverwalter der Amsterdam Trade Bank erhalten hat.“

Auch wenn Ihnen der ein oder andere Begriff in der Erläuterung nichts sagt: Dass diese Einmaleffekte teilweise sogar nicht einmal positiv sind, wird auch so deutlich. Ganz im Gegenteil: Die Begriffe Forderungsverzicht und Einigung mit dem Insolvenzverwalter führen noch zu mehr Anzeichen, dass die Lage bei Creditshelf alles andere als rosig ist, um es einmal vorsichtig auszudrücken.

Ein spannender Fall? Absolut. Ich kann Ihnen die Lektüre der Abschlüsse und die Befassung mit den Details des Geschäftsmodells sehr empfehlen. Auch ich habe mich im letzten Jahr unter anderem intensiver mit dem Geschäftsmodell beschäftigt. Je mehr Fragen ich gestellt habe, desto mehr Folgefragen haben sich für mich ergeben.

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