Steuersenkungen sind eine Frage des politischen Willens

„Die Rezession geht ins Dritte Jahr“, „Steuerschätzung fällt erneut schlechter aus“, „Merz und Klingbeil planen Rekordverschuldung“ – so oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen der vergangenen Monate. Keine Frage also, um die öffentlichen Finanzen steht es schlecht. Und kein Wunder war es daher wohl, dass die Länder dem steuerlichen Investitionssofortprogramm erst nach der Zusage des Bundes über umfangreiche finanzielle Ausgleichsmaßnahmen zustimmen wollten.

Doch steht es – unabhängig von Fragen der Aufteilung des Steueraufkommens auf die föderalen Ebenen, möglichen Fehlanreizen im Finanzausgleich usw. – tatsächlich so schlecht um die Einnahmeseite des Staates?

Eine robuste Einnahmenseite …

Dass diese Frage berechtigt ist, zeigte sich in den Schlagzeilen der Presse nach der Veröffentlichung der neuesten Zahlen zu den kassenmäßigen Steuereinnahmen durch das BMF am 23.07.2025. Diese lauteten z.B. „Steuereinnahmen gehen trotz Krise deutlich hoch“. Denn für Bund und Länder ergab sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Plus von stattlichen 8,1 Prozent. Auch wenn Einmaleffekte eine Rolle spielen mögen – nach Krise sieht das nun wirklich nicht aus.

Auch die letzte Steuerschätzung sieht bei näherer Betrachtung nicht mehr ganz so schlecht für Vater Staat aus. Zwar fallen die künftigen Steuereinnahmen laut den halbjährlichen Zahlenwerken seit geraumer Zeit stets etwas schlechter aus als in der Vorversion. Dies bedeutet aber keineswegs, dass der Bundesfinanzminister mit sinkenden Einnahmen planen muss. Vielmehr stellt auch die jüngste Mai-Schätzung dem Staat stetig steigende Einnahmen in Aussicht. Das überrascht nicht, steigt doch bspw. das Umsatzsteueraufkommen in einem inflationären Umfeld automatisch mit. Die Schallmauer von 1 Billion Euro Steuereinnahmen soll nun im Jahr 2026 durchbrochen werden.

Die jährliche Zunahme wird dabei mit Raten von 2,7 bis 3,7 Prozent geschätzt. Da zugleich die Bundesbank für die kommenden Jahre eine Inflationsrate von maximal 2 Prozent erwartet, kann der Staat aller Voraussicht nach von Jahr zu Jahr ein deutliches reales Einnahmeplus verzeichnen, das sogar über dem realen Wirtschaftswachstum liegen dürfte. Korrespondierend dazu erwarten die Steuerschätzer eine wachsende volkswirtschaftliche Steuerquote. Der Staat gönnt sich also von Jahr zu Jahr ein größeres Stück vom Kuchen. Sollte die Konjunktur gar, wie es sich abzeichnet, wieder spürbar anziehen, könnte das reale Steueraufkommenswachstum deutlich höher ausfallen. Erfahrungsgemäß stiege dann, wenn die Gewinne wieder sprudeln, auch die volkswirtschaftliche Steuerquote überproportional.

… trifft auf eine dynamische Ausgabenseite

Angesichts der stabilen, wahrscheinlich sogar deutlich positiven Entwicklung der Einnahmeseite wird deutlich, was die geplante exorbitante Neuverschuldung der kommenden Jahre treibt. Ein Blick in die Eckwerte der Finanzplanung der Bundesregierung bestätigt den Verdacht: Es sind die hohen Ausgaben, weshalb die steigenden Einnahmen einfach nicht reichen wollen.

Fazit:

Auch wenn die Notwendigkeit höherer Verteidigungsausgaben und anderer Investitionen wohl unbestritten ist, muss der nüchterne Betrachter konstatieren: Wenn stetig steigende Rekordeinnahmen nicht reichen, dann muss man irgendwann die Ausgabenseite einer Generalkritik unterziehen. Die deutsche Politik hat kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Eine Konsolidierung der Staatsfinanzen muss deshalb in erster Linie über die Ausgabenseite erfolgen. Dies gilt umso mehr, als die durch die Grundgesetzänderung ermöglichte Neuverschuldung absehbar zu hohen Zinsbelastungen führen wird, die künftige Haushaltspielräume erheblich einschränken werden.

Zugleich ist zu erwarten, dass bei in kommenden Jahren anziehender Konjunktur die Steuereinnahmen überproportional steigen. Vor diesem Hintergrund besteht trotz öffentlicher Defizite grundsätzlich Spielraum für die eine oder andere Steuersenkung sowie insbesondere für strukturellen Verbesserungen im Steuersystem, die mit überschaubaren Einnahmeverlusten einhergehen.

Wichtig: Diese Maßnahmen sollte die Regierung unbedingt gegen (mit Einnahmeerhöhungen typischerweise einhergehende) schnell steigende Ausgabenwünsche durchsetzen. Schon Milton Friedmann soll gesagt haben: „Ich glaube nicht, dass höhere Staatseinnahmen jemals das Defizit verringern können. Das kann für ein paar Monate der Fall sein […]. Aber Regierung und Öffentlichkeit haben ein so großes Bedürfnis nach Mehrausgaben, dass jede Steuererhöhung […] aufgefressen wird.“

Weitere Informationen:

 

 

 

Ein Beitrag von:

  • Roland Nonnenmacher

    Head of Tax Policy Germany bei EY

    Warum blogge ich hier?
    Der NWB-Expertenblog ist die ideale Möglichkeit, sich zu aktuellen steuerpolitischen und -rechtlichen Themen zu Wort zu melden und Diskussionen anzustoßen.

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