Strafverteidigung des Kindes ist keine außergewöhnliche Belastung

Zugegeben: Wer die Überschrift liest, wird kaum verstehen, dass die Verteidigung des eigenen Kindes in einer Strafsache keine außergewöhnliche Belastung bei den Eltern darstellen soll. So ist es aber, und zwar nach der Auffassung des Gesetzgebers und des Hessischen FG.

Zum Hintergrund: Seit 2013 sind Kosten eines gerichtlichen Prozesses nur im Ausnahmefall als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG absetzbar, nämlich dann, „wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können“ (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Dementsprechend hat das das Hessische FG entschieden, dass auch Aufwendungen für die Strafverteidigung des eigenen Kindes nicht nach § 33 EStG abziehbar sind (Urteil vom 11.3.2020, 9 K 1344/19).

Es ging um folgenden Sachverhalt: Die Eltern beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung 2017 den Abzug von Strafverteidigerkosten für ihren Sohn in Höhe von 12.495 EUR. Sie sahen hierin eine außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG. Das Finanzamt war anderer Ansicht. Die Prozesskosten seien vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen, weil es sich nicht um Aufwendungen handele, ohne die die Kläger Gefahr liefen, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Die Begründung des FG: Zwar hat der BFH im Urteil III R 145/85 entschieden, dass die Kosten für die Strafverteidigung eines Kindes für die Eltern aus sittlichen Gründen zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG sein können und dies auch im Urteil III R 23/02 bei Jugendlichen und Heranwachsenden bejaht. Die Urteile stammen jedoch aus einer Zeit deutlich vor Einfügung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG und sind somit zu einer anderen Gesetzeslage ergangen. Sie können nicht ohne weiteres auf die Gesetzeslage 2017, somit nach Einfügung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG, übertragen werden. Da nicht ersichtlich sei, dass die Eltern durch die Zahlung der Strafverteidigerkosten für ihren Sohn Gefahr liefen, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu konnten, sei ein Abzug dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht möglich.

Hinweis:

Fast schon ironisch ist es, dass Anwaltskosten im Fall eines Freispruchs – theoretisch – abziehbar wären, allerdings wiederum gedeckelt auf die durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten. Mit anderen Worten: Bei einem Freispruch fallen keine Kosten an. Und wenn der Beschuldigte mit seinem Anwalt ein höheres Honorar vereinbart, das über den durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten liegt, kann der übersteigende Betrag mangels Zwangsläufigkeit wiederum nicht steuermindernd als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden (BFH-Beschluss vom 10.6.2015, VI B 133/14).

Ich erlaube mir, an dieser Stelle auf meinen Beitrag „Aufreger des Monats Februar: Außergewöhnliche Belastungen kaum noch abziehbar“ zu verweisen. Nach meinem Dafürhalten werden § 33 EStG und der Begriff der außergewöhnlichen Belastung zunehmend ausgehöhlt.

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