Streit um Betriebsschließungsversicherungen in der Pandemie – LG München spannt den Regenschirm auf

„Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.014.000,00 € … zu bezahlen“ – so lautet die Ziffer 1 des Tenors des Urteils LG München I vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20.

So schnell kann es gehen: Im August hatte ich noch darüber berichtet, wie problematisch sich die Situation für Gastwirte, Fitnessstudio usw. darstellt, die eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen haben. Das LG München I hat die bayerische Versicherungskammer jetzt zur Zahlung verurteilt und damit dem klagenden Gastwirt jedenfalls in dieser Instanz zum Versicherungsschutz verholfen.

Interessant an der Entscheidung ist, dass das LG I die Versicherungsbedingungen so auslegt, dass es lediglich darauf ankommt, dass der Betrieb aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geschlossen wurde. Die Allgemeinverfügung hat sich nämlich ausdrücklich auf die Ermächtigungsgrundlage in §§ 28–32 IfSG bezogen und die Schließung wurde rein tatsächlich „angeordnet“. Nach dem Wortlaut der Bedingungen spielt auch die Rechtmäßigkeit der Schließungsanordnung für den Versicherungsschutz keine Rolle. Auf einen Außer-Haus-Verkauf musste sich der Gastwirt nicht verweisen lassen, auch mit diesem Argument drang die Versicherung nicht durch, weil die Aufrechterhaltung des Betriebes nur für einen Außer-Haus-Verkauf für den Gastwirt unzumutbar war.

Das Landgericht hält die Klausel auch für intransparent und schmettert damit das Argument des Versicherers ab, dass Covid-19 nicht von der Liste der versicherten Krankheiten umfasst war. Dies wird in weiteren Verfahren sicherlich spannend, da es eben immer auf die einzelne konkrete Formulierung der Versicherungsbedingungen ankommt. Jedenfalls ist hier es spannend zu lesen, wie das Landgericht die zugrunde liegenden AVB „auseinandernimmt“. So heißt es u.a. „Bei lebensnaher Betrachtung ist für das Gericht unzweifelhaft, dass…Die katalogartige Aufzählung suggeriert, insbesondere in ihrer optisch erschlagenden Darstellung… … Auch ist kaum zu erklären und für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohnehin nicht zu erkennen, warum …“ Unverständlich ist auch der Ausschluss….

Und so geht es weiter. Geradezu genüsslich legt das Landgericht dar, dass die AVB für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer praktisch gar nicht mehr lesbar sind.

Auch mit der Höhe der Entschädigung hat das Gericht kein Problem: Insbesondere stellt es klar, dass weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Corona-Liquiditätshilfen den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag mindern. Das ist insofern pikant, weil ja – wir berichteten – die „bayerische Lösung“ zusammen mit der bayerischen Landes Regierung entwickelt wurde.

Es würde mich schwer wundern, wenn die Versicherer das Urteil hinnehmen würden. Dazu geht es einfach nicht nur um zu viel Geld, sondern auch um das Schicksal der AVB. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Verfahren (es sollen noch 86 weitere Klagen beim LG München anhängig sein) über das OLG München zum BGH kommen werden.

 

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