Bundestag beschließt Ausweitung des Verbandsklagerechts auf Unterlassungs- und Abhilfeklagen

Am 7.7.2023 hat der Bundestag abschließend das Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG) beschlossen. Was bedeutet das für Unternehmen und Verbraucher?

Hintergrund

Die „Richtlinie (EU) 2020 / 1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG“ sah eigentlich eine Umsetzung bis zum 25.12.2022 und das Inkrafttreten bis zum 25.06.2023 vor. Die EU-Kommission hatte deshalb bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Die Richtlinie zielt darauf ab, EU-weit den Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher zu stärken, weil durch verbraucherrechtswidrige Geschäftspraktiken von Unternehmen regelmäßig viele Verbraucher geschädigt würden. Die Richtlinie verpflichtet die EU-Staaten, zwei Arten von Verbandsklagen vorzusehen. Verbände müssen danach das Recht haben, im eigenen Namen Unterlassungsklagen, durch die Verstöße gegen Verbraucherrecht beendet werden können, und Abhilfeklagen, durch die Verbraucherrechte durchgesetzt werden können, zu erheben.

Erweiterung der Klagemöglichkeiten zum Schutz von Verbraucherschutzrechten

Abhilfeklagen gab es im deutschen Recht bislang nicht. Die Regelungen für Abhilfeklagen von Verbänden sollen in einem eigenen Stammgesetz, dem VRUG, gebündelt werden. Darin sollen auch die bestehenden Regelungen der Zivilprozessordnung über die Musterfeststellungsklage integriert werden. Durch Änderungen im Unterlassungsklagengesetz und im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sowie in einigen weiteren Gesetzen sollen die schon bestehenden Regelungen über Unterlassungsklagen durch Verbände an die Vorgaben der Richtlinie angepasst werden. Zusätzlich sollen ergänzende Regelungen zu Unterlassungsklagen und Abhilfeklagen in anderen Gesetzen geschaffen werden. Mit Verabschiedung des Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetzes (VRUG) am 07.07.2023 hat der deutsche Gesetzgeber eine neue Klageart in Gestalt einer kollektiven Abhilfeklage geschaffen.

Was bedeuten die neuen Klagemöglichkeiten konkret für Verbraucher?

Das neue Klageinstrument sieht vor, dass Ansprüche von Verbrauchern gegen Unternehmen gebündelt geltend gemacht und durchgesetzt werden können, um so die Rechtsposition der Verbraucher zu stärken und die Justiz in Massenverfahren zu entlasten.

Klageberechtigt sind qualifizierte Verbraucherverbände, die in die Liste nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) eingetragen sind. Die noch im Referentenentwurf vorgesehene Mindesteintragungsdauer von vier Jahren hat im weiteren Beratungsverfahren nicht Stand gehalten, sodass auch kurzfristig gegründete Verbraucherverbände klageberechtigt sein werden. Klagende Verbände müssen für die Zulässigkeit nur nachvollziehbar darlegen, dass von der Abhilfeklage Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen sein können. Klagen mehrere Verbände gemeinschaftlich, genügt es bereits, wenn sie die mögliche Betroffenheit von insgesamt 50 Verbrauchern darlegen. Darüber hinaus ist der späteste Zeitpunkt für den Anschluss der Betroffenen an das Verfahren sehr spät gewählt: Er soll bis zu drei Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung möglich sein. Ebenfalls kritisiert hatten die Wirtschaftsverbände die geplante Einführung eines Streitwertdeckels in Höhe von 410.000 Euro. Diese Grenze wurde nun sogar auf 300.000 Euro abgesenkt.

Erste Bewertung

Im Gesetzgebungsverfahren haben sich insgesamt 14 Wirtschaftsverbänden intensiv dafür eingesetzt, dass entgegen der während des Verfahrens zunehmenden Tendenz eines sehr einseitig die Verbraucher bevorzugenden Entwurfs ein Kompromiss gelungen ist, der die Interessen der Unternehmen nicht ausblendet. Das ist vernünftig, damit nicht „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“ wird.

Positiv ist aus Unternehmenssicht vor allem zu bewerten, dass die Verjährungshemmung nicht für alle potentiell Betroffenen, sondern nur für die Verbraucher eintritt, die sich auch tatsächlich zur Verbandsklage angemeldet haben. Darüber hinaus müssen die Verbände – sollten sie sich eines Prozessfinanzierers bedienen – die Finanzierungsvereinbarung offenlegen und dürfen dem Finanzierer nicht mehr als 10 % des Erstrittenen versprechen. Diese Regelungen zur Drittfinanzierung sollen dafür sorgen, dass Sammelklagen nicht zum Investitionsobjekt profitorientierter Unbeteiligter werden – gut so!

Der deutsche Gesetzgeber hat die Verbandsklagenrichtlinie mit einiger Verspätung in deutsches Recht umgesetzt: Die Richtlinie sah eine Umsetzung bis zum 25.12.2022 und das Inkrafttreten bis zum 25.06.2023 vor. Die EU-Kommission hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland (und weitere verspätete Mitgliedstaaten) eingeleitet; ob die Kommission dieses Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland jetzt noch weiterverfolgt, muss abgewartet werden.

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