Überbrückungshilfe II, Novemberhilfe, Neustarthilfe: Droht den Corona-Finanzhilfen der Kollaps?

In der aktuellen Corona-Krise versprechen BMF und BMWi immer wieder „schnell“ und „unbürokratische“ Finanzhilfen. Dort Überbrückungshilfe II und Novemberhilfe kommen auch bis 20.11.2020 noch immer nicht bei der Betroffenen an, die finanzielle Not im Lockdown wird immer größer.

Woran hapert`s?

Hintergrund

Seit März 2020 versucht der Bund seit Beginn der Corona-Pandemie die wirtschaftlichen Auswirkungen mit umfangreichen direkten finanziellen Hilfspaketen abzumildern:

  • zunächst mit der Soforthilfe (bis 31.5.2020),
  • danach mit der Überbrückungshilfe I (vom 1.6.2020 bis 31.8.2020),
  • im Anschluss die Überbrückungshilfe II (1.9.2020 bis 31.12.2020),
  • zuletzt mit der Novemberhilfe (1.11. bis 30.11.2020).

Eine neue, weitere Überbrückungshilfe III, die zusätzlich eine Neustarthilfe für Soloselbständige beinhalten soll, ist für die Zeit vom 1.1.2021 bis 30.6.2021 geplant. Aber die Prozesse sind zäh, der Geldfluss stockt.

Aktueller Sachstand

Das Soforthilfeprogramm vom Frühjahr 2020 ist seit 31.5.2020 erledigt, die Mittel ausgezahlt. Was hier noch fehlt, ist die Schlussabrechnung, bei der geprüft wird, ob Überzahlungen oder rechtswidrige Zahlungen erfolgt sind; wird dies festgestellt, ist die Soforthilfe zurückzuzahlen.

Die Überbrückungshilfe I konnte über registrierte Dritte (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte) bis 9.10.2020 für die Zeit vom 1.6. bis 31.8.2020 beantragt werden; das Programm ist inzwischen geschlossen. Es wurden 127.600 Anträge mit einem Antragsvolumen von 1,5 Mrd. Euro und einer Bewilligungssumme von 1,4 Mrd. Euro gestellt – obwohl der Bund eigentlich 24,6 Mrd. Euro eingeplant hatte.

Die Überbrückungshilfe II ist formal am 21.10.2020 für den Zeitraum 1.9.2020 bis 31.12.2020 gestartet. Über registrierte Dritte (wie bei Überbrückungshilfe I) sind bis 17.11.2020 fast 18.000 Anträge gestellt im Volumen von rd. 437 Mio. Euro; am 27.10.2020 waren es erst 1000 Anträge mit einem Volumen von rund 41,5 Mio. Euro.

Mit der am 5.11.2020 von BMF/BMWi angekündigten „außerordentlichen Wirtschaftshilfe“ (sog. Novemberhilfe) will der Bund umsatzbezogene Kompensationszahlungen für Unternehmen und Selbständige leisten, die von den am 28.10.2020 politisch beschlossene Teil-Lockdown wegen Auflagen oder Schließungen im November 2020 in besonderer Weise betroffen sind. Der Kreis der Bezugsberechtigten wurde von BMF und BMWi am 13.11.2020 nochmals erweitert: Es wird klargestellt, dass auch Beherbergungsbetriebe und Veranstaltungsstätten als direkt betroffene Unternehmen antragsberechtigt sind. Damit ist sichergestellt, dass z.B. auch Pensionen, Jugendherbergen und Konzerthallen im Rahmen der geltenden Bestimmungen die Novemberhilfe erhalten (Direkt betroffene Unternehmen).

Neben den direkt Betroffenen sind indirekt Betroffene antragsberechtigt, wenn sie regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den Schließungs-Maßnahmen betroffenen Unternehmen erzielen (mittelbar indirekt betroffene Unternehmen). Noch im November sollen bei der Novemberhilfe Abschlagszahlungen von bis 5.000 bzw. 10.000 Euro fließen.

Umsetzungsprobleme in der Praxis

Ich wiederhole mich: Das Bemühen des Bundes den wirtschaftlichen Schaden aus der Corona-Pandemie und den hiermit verbundenen Einschränkungen sind nicht nur lobenswert und vernünftig, sondern volkswirtschaftlich unausweichlich: Würde der Bund hierauf verzichten, wären die wirtschaftlichen Folgen bei Selbständigen, Einrichtungen und Unternehmen weitaus größer, die volkswirtschaftlichen Kosten für ein dann erforderliches „Wiederaufbauprogramm“ deutlich höher.

Allerdings gibt es ein großes „Aber“: Die Programmumsetzung ist (seit Überbrückungshilfe I) administrativ derart ins Stocken geraten, dass die Finanzhilfen zwar bei den Begünstigten nicht die Kassen füllen, dafür aber mehr und mehr für Verunsicherung sorgen.

Novemberhilfe:

Obwohl diese für den November 2020 gezahlt werden soll, ist bislang nicht einmal eine Antragstellung möglich. Die Antragsdetails liegen noch nicht vor, vor allem aber ist erforderliche Software-Programmierung für die Antragsstellung, Bearbeitung und Auszahlung noch immer nicht abgeschlossen. Für den 23.11.2020 sind nun Programmdetails angekündigt, die Bearbeitung soll dann endlich möglich sein, jedenfalls für Abschlagszahlungen im November. Allerdings: noch nicht geklärt ist, ob diese Umsatzausfallzahlung nach dem EU-Beihilfenrecht überhaupt zulässig ist. Wird die EU-Notifizierung verweigert, droht den Begünstigten auch hinsichtlich erhaltener Abschlagszahlungen die spätere Rückzahlung. Hinzu kommt, dass die Beteiligten nicht mehr hinterher kommen: Weder die allein antragsberechtigten Angehörigen der steuerberatenden Berufe noch die Bearbeitungs- und Bewilligungsstellen der Länder; sie drohen in der Flut unbearbeiteter Anträge schlicht zu ersticken.

Überbrückungshilfe II:

Nicht anders sieht es bei der Überbrückungshilfe II aus: obwohl bereits seit 21.10.2020 rund 18.000 Anträge mit einem Volumen von 437 Mio. Euro gestellt worden sind, ist auch die Bearbeitung dieser Anträge bislang (Stand 20.11.2020) nicht möglich. Weder legt die erforderliche Bearbeitungssoftware noch die EU-rechtliche Beihilfengenehmigung vor. Auch hier brechen die Bewilligungsstellen unter der Antragsflut vermutlich bald ein.

Überbrückungshilfe III:

Hier haben BMF/BMWi am 13.11.2020 angekündigt, dass die Details zur Antragstellung „vermutlich in den nächsten Wochen feststehen“. Ach wäre das doch erstmal für die Novemberhilfe der Fall…!

Fazit:

Der Bund läuft Gefahr, sich übernommen zu haben Er hält mit unterschiedlichen Förderprogrammen, mit unterschiedlichen Fördervoraussetzungen und sich überschneidenden Förderzeiträumen zu viel Bälle gleichzeitig in der Luft. Das verärgert vor allem diejenigen, denen die Hilfen zugutekommen sollen und bald nicht mehr durchblicken, welche Mittel wann beantragt werden könne und wann mit Auszahlungen (oder Abschlägen) gerechnet werden, welche Leistung auf welche andere angerechnet wird und ob dies am Ende alles dem EU-Recht entspricht. Der Kollaps droht!

Quellen
BMF/BMWi Dashboard Corona-Finanzhilfen v.17.11.2020
BMF/BMWi – Gemeinsame Pressemitteilung v. 13.11.2020

Ein Kommentar zu “Überbrückungshilfe II, Novemberhilfe, Neustarthilfe: Droht den Corona-Finanzhilfen der Kollaps?

  1. Ergänzend hierzu noch der Hinweis zur nun NACHTRÄGLICH eingeführten Begrenzung der Überbrückungshilfen auf (grob gesprochen) maximal 90% des jeweiligen Monatsverlustes (beihilferechtliche Hinweise in FAQs). Sehe nur ich hier ein größeres Problem oder geht es den Kollegen ebenso? Wenn ich es richtig verstehe sollen hier bereits die jeweiligen Hilfen berücksichtigt werden, sodass der Verlust eines Monats im Zweifel nicht sehr hoch ist. Zudem stelle ich mir die Frage, ob diese Deckelung nicht bei Reisebüros zu größeren Nachzahlungen führen wird, da diese ja einen Großteil der Hilfen auf Basis der entgangenen Umsätze erhalten haben. Damit könnte die Schlussabrechnung im Jahr 2021 zu interessanten Diskussionen führen. Frohes Fest!

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