Lehrkräfte und Dozenten, beispielsweise Lehrer an Musikschulen, sind zuletzt immer häufiger in den Fokus der Prüfer der Sozialversicherungen geraten, das heißt, sie werden oft als abhängig beschäftig angesehen. Ich könnte es auch anders formulieren: In den Fokus geraten sind ihre Auftraggeber, also die Schulen, denn es soll nicht verschwiegen werden, dass manch Lehrer durchaus ein Interesse an der Sozialversicherungspflicht hat. Unterstützung haben die Sozialversicherungsträger, namentlich die Deutsche Rentenversicherung Bund, vom BSG erhalten: Die Versicherungspflicht sei nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil die Beteiligten erkennbar eine selbstständige Tätigkeit vereinbaren wollten – so das BSG mit Urteil vom 28.6.2022 (B 12 3/20 R).
Das BSG hat sich mit seinem mittlerweile recht bekannten „Herrenberg-Urteil“ von seiner „Sonderrechtsprechung“ für Lehrkräfte distanziert und mit einem weiteren Urteil auch keinen Vertrauensschutz zugelassen (BSG-Urteil vom 5.11.2024, B 12 BA 3/23 R).
Vielleicht hat der eine oder andere Mitarbeiter der DRV gejubelt, als die Entscheidungen des BSG gefallen sind. Den Schulen, insbesondere vielen Musikschulen, und auch vielen Lehrkräften, die nun um ihre Aufträge bangen mussten, war hingegen ganz und gar nicht zum Feiern zumute. Letztlich war durch die Haltung der DRV und der Rechtsprechung des BSG der Zugang zu gewissen Bildungsangeboten, gerade auch des Musikunterrichts, erschwert worden.
Immerhin: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat das Thema in einem intensiven Fachdialog unter anderem mit Bildungsverbänden und Sozialpartnern umfassend beleuchtet. Es habe sich gezeigt, dass Bildungseinrichtungen und Lehrkräfte aufgrund der unterschiedlichen Organisationsmodelle beim Einsatz von selbstständigen Lehrkräften eine Übergangszeit brauchen, um sich auf die nun geltenden Beurteilungsmaßstäbe einzustellen.
Aufgrund dieser besonderen Situation sei es ausnahmsweise gerechtfertigt, für einen begrenzten Zeitraum von einer ansonsten zwingenden Nachforderung von Sozialbeiträgen abzusehen. Auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hat der Deutsche Bundestag am 30.1.2025 im Rahmen des „Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften“ eine entsprechende Übergangsregelung beschlossen.
Mit der Übergangsregelung gewinnen die Bildungsträger Zeit. Sie können sich bis Ende 2026 auf die jetzt geltenden Rahmenbedingungen einstellen und gegebenenfalls ihre Organisationsmodelle anpassen. Bis dahin müssen die Bildungsträger keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen, wenn Bildungsträger und Lehrkräfte bei Vertragsschluss von Selbstständigkeit ausgegangen sind. Die Rechte der Lehrkräfte bleiben gewahrt, da die Übergangsregelung nur bei ihrer Zustimmung zum Tragen kommt – so lässt es das Ministerium verlautbaren (BMAS online, Meldung vom 31.1.2025).
Denkanstoß:
Die Übergangsregelung ist zu begrüßen. Ich frage mich allerdings, warum sie nicht auch in anderen Bereichen, in denen die DRV ebenfalls „zugelangt“ hat, gewährt wird. Es gibt zahlreiche Branchen und auch Tatbestände (Stichwort „Kopf-und-Seele-Rechtsprechung“), bei denen jahrelang, mitunter jahrzehntelang eine andere Auffassung vertreten wurde, bei denen die Betroffenen quasi über Nacht – gegen ihren Willen – zu abhängig Beschäftigten wurden und bei denen das BSG und die Landessozialgerichte mit kritikwürdigen Begründungen einen Vertrauensschutz versagen.
Ein Beitrag von:
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
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Warum blogge ich hier?
Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.
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