Umsatzsteuer: Die neue Zehn-Prozent-Grenze für Aufsichtsratsmitglieder

Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht als Unternehmer tätig. So hat der BFH entgegen der früheren Auffassung mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19 / V R 62/17) entschieden. Er begründet dies mit der Rechtsprechung des EuGH zum Aufsichtsratsmitglied einer Stiftung (vgl. Urteil vom 13.6.2019, C-420/18). Zwischenzeitlich haben mehrere Finanzgerichte zu Einzelfragen der neuen Rechtsprechung entschieden. Insoweit kann auf den Blog-Beitrag “ Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten, Verwaltungsräten und Kammermitgliedern“ verwiesen werden. Aktuell hat sich allerdings auch das BMF geäußert.

Das BMF erkennt die Rechtsprechung des BFH an und definiert eine Festvergütung, die (noch) gegen eine Unternehmereigenschaft spricht, wie folgt: Eine „unschädliche“ Festvergütung liegt insbesondere im Fall einer pauschalen Aufwandsentschädigung vor, die für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt wird. Allerdings sind Sitzungsgelder, die das Mitglied des Aufsichtsrats nur erhält, wenn es tatsächlich an der Sitzung teilnimmt, sowie nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen, keine Festvergütung in diesem Sinne. Besteht die Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen, ist es grundsätzlich selbständig tätig, wenn die variablen Bestandteile im Kalenderjahr mindestens zehn Prozent der gesamten Vergütung, einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen, betragen. Reisekostenerstattungen sind keine Vergütungsbestandteile und demzufolge bei der Ermittlung der Zehn-Prozent-Grenze nicht zu berücksichtigen.

Die Ausführungen gelten auch für Mitglieder von Ausschüssen, die der Aufsichtsrat nach § 107 Abs. 3 AktG bestellt hat und für Mitglieder von anderen Gremien, die nicht der Ausübung, sondern der Kontrolle der Geschäftsführung einer juristischen Person oder Personenvereinigung dienen.

Die Regelungen des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden, wobei es nicht beanstandet wird, wenn die bisher geltenden Regelungen auf Leistungen angewendet werden, die bis einschließlich 31.12.2021 ausgeführt worden sind. Das heißt, dass ein Aufsichtsratsmitglied seine Tätigkeit entsprechend der früheren Bestimmung des Abschnitt 2.2 UStAE selbständig, also als Unternehmer, ausübt. Im Übrigen sieht das BMF Sonderregelungen für Beamte und politische Mandatsträger vor, die diese entsprechend berücksichtigen sollten.

Praxishinweise:

Spätestens ab dem 1.1.2022 müssen Aufsichtsratsmitglieder und die entsprechenden Unternehmen, Körperschaften sowie bestimmte Institutionen also die Neuregelungen beachten. Zahlreiche Aufsichtsratsmitglieder werden aufatmen, da sie von der lästigen Pflicht zur Erstellung einer Umsatzsteuererklärung befreit werden. Für nicht vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen und Institutionen ergeben sich indes auch „echte“ steuerliche Vorteile. Doch mit dem BMF-Schreiben sind sicherlich nicht alle Fälle erfasst. Zwar verweist das BMF auf die Anwendung seines Schreibens auf „Mitglieder anderer Gremien“, doch ganz konkret wird es hier nicht. Insofern kann auf die eingangs erwähnte Finanzrechtsprechung verwiesen werden.

Der entsprechende Blog-Beitrag ist dabei noch um ein Urteil des FG Köln zu ergänzen: Erhält ein Mitglied des Aufsichtsrats eines Sportvereins für seine Tätigkeit eine Vergütung, so unterliegt diese nicht der Umsatzsteuer. Die an sich zugelassene Revision zum BFH hat das Finanzamt nicht eingelegt (Urteil vom 26.11.2020, 8 K 2333/18, NWB IAAAH-73285).

Das Thema „Vergütungen an Mitglieder von Aufsichtsgremien“ wird uns wohl noch lange begleiten.


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