Update Bürgergeld: Vermittlungsausschuss legt Streit um Reformvorhaben bei

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat am 22.11.2022 einen Kompromissvorschlag für das Bürgergeld-Reform vorgelegt, Bundestag und Bundesrat sollen am 25.11.2022 abschließend entscheiden.

Hintergrund

Ich habe im Blog bereits berichtet: Das sog. Bürgergeld-Gesetz, das ab 1.1.2023 das bisherige sog. Hartz IV ablösen soll, ist das größte sozialpolitische Reformvorhaben der SPD in der Ampel-Regierung. Die geplante Reform sieht unter anderem höhere Regelsätze und eine eingehendere Betreuung von Arbeitslosen vor. Die von Bundesregierung im Bundestag eingebrachte Gesetzesvorlage fand aber im Bundesrat nicht die erforderliche Zustimmung, deswegen musste jetzt der Vermittlungsausschuss (Art. 77 GG) tätig werden.

Die Unionsländer hatten die Vorlage vor allem abgelehnt, weil Betroffenen ein zu großes Schonvermögen zugestanden werden soll. Außerdem müssten Hilfeempfänger zu wenig Sanktionen bei Pflichtverletzungen fürchten.

Vermittlungsausschuss löst den Streit

Nach tagelangem Streit zwischen Ampel-Koalition und der Union über die Umwandlung von Hartz IV in ein Bürgergeld haben sich beide Seiten am 22.11.2022 auf einen Einigungsvorschlag verständigt, der am 24.11.2022 im Vermittlungsausschuss verabschiedet werden soll.

Bundestag und Bundesrat sollen bis 25.11.2022 zustimmen, das wäre auf der Zeitachse gerade noch ausreichend, damit das Reformgesetz wie geplant am 1.1.2023 in Kraft treten kann. Der Kompromiss beinhaltet im Kern folgende Regelungen:

  • Die ursprünglich geplante sogenannte sechsmonatige „Vertrauenszeit“ soll vollständig entfallen. Damit wollte die Regierung eigentlich sicherstellen, dass Leistungsbezieher in den ersten sechs Monaten keinerlei Sanktionierung und damit Leistungskürzungen befürchten müssen.
  • Teil der Einigung ist auch niedrigeres Schonvermögen der Leistungsbezieher. Die Ampel-Regierung hatte ein Schonvermögen von 60.000 Euro vorgesehen. Dieses soll nun auf 40.000 Euro gesenkt werden.
  • Zudem soll die geplante Karenzzeit von zwei Jahren, in denen die Kosten der Wohnung ohne weitere Überprüfung übernommen werden, auf ein Jahr verkürzt werden.

Bewertung

Mit den verhandelten Änderungen kommt die Regierungskoalition der Union in entscheidenden Punkten entgegen – ohne die Zugeständnisse wäre die Bürgergeld-Reform gescheitert. Aus Sicht von potentiellen Bürgergeld-Empfängern ist der politische Kompromiss ein gutes Zeichen, etwa beim Grundeinkommen, bei dem die Bezüge etwa von Alleinstehenden um mehr als 50 Euro auf 502 Euro steigen werden.

Unterm Strich wirkt die Einigung dennoch unverändert als „fauler politischer Kompromiss“. Ob Hilfeempfänger wirklich Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote nutzen werden, um dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können, muss sich in der Praxis erstmal erweisen. Das neue Bürgergeld wird die öffentlichen Haushalte zusätzlich belasten, Schätzungen der Verbände zufolge allein zwischen 5,1 Mrd. und 5,8 Mrd. € zwischen 2024 und 2026.

Energie- und Konjunkturkrise, Inflationsanstieg und Investitionsstau, ferner große Reformvorhaben wie eine dringende Rentenreform: Deutschland hat wahrlich genug andere, vordringlich zu lösende Probleme, als eine Ausweitung des Sozialstaats.

Stand: 22.11.2022 12:25

Quellen


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